Sie sind Anwalt?

Unterhaltsverzicht – welche Folgen hat dieser?

Dr. Birgitt Breinbauer Rechtsberatung Dornbirn

Im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung kann sowohl einseitig als auch wechselseitig auf Unterhalt verzichtet werden. Was genau unter einem einseitigen beziehungsweise wechselseitigen Unterhaltsverzicht zu verstehen ist, in welchen Fällen ein Unterhaltsverzicht sinnvoll ist und worauf bei einem Unterhaltsverzicht grundsätzlich zu achten ist, beantwortet Ihnen Dr. Birgitt Breinbauer LL.M., Rechtsanwältin und Expertin im Familienrecht, im nachfolgenden Interview.

anwaltfinden.at: Frau Dr. Breinbauer, möchten Sie sich unseren Usern kurz vorstellen?

Ich heiße Birgitt Breinbauer. Ich bin seit dem Jahr 1987 Rechtsanwältin in Dornbirn und seit 1988 in der Standesvertretung tätig. Außerdem bin ich, seit mehr als 10 Jahren, Präsidentin der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer.

 

anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem Expertin im Familienrecht, warum haben Sie sich darauf spezialisiert, was interessiert Sie daran besonders?

Ich bin zu einem Zeitpunkt Anwältin geworden, als diesen Beruf noch relativ wenig Frauen ausübten, wodurch sich im Laufe meiner Anfangszeit die Situation ergab, dass ich für das Familienrecht angefragt wurde, welches während meines Studiums nicht unbedingt meine große Leidenschaft war. Es bestand jedoch ein Bedarf an Frauen, die beraten und vertreten. Diese Aufgaben habe ich schließlich übernommen und kam so sukzessive in die Familienrechtsschiene. 

Mittlerweile besteht meine Tätigkeit zu etwa 90% aus Familien- und Erbrecht. Mit der Zeit entwickelt man eine gewisse Kompetenz und einen gewissen Namen, wodurch sich die Auftragsbücher beinahe immer mit denselben Themen füllen. 

Das Familienrecht ist ein sehr überschaubarer Rechtsbereich, der jedoch viele Facetten hat. Das Familienrecht umfasst, neben Scheidungen, alles, was in Zusammenhang mit Kindern steht sowie die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse.

Eine große Herausforderung im Familienrecht ist, dass man häufig in persönliche Konflikte miteinbezogen wird, das heißt, man ist dann Teil des Streites. Oftmals entlädt sich der Unmut des jeweiligen Gegners auf die Anwältin oder den Anwalt. Es ist daher, anders als in anderen Rechtsbereichen, eher schlecht möglich, immer nur sachlich zu argumentieren.

Interessant daran ist, die verschiedensten Facetten des Lebens kennenzulernen und ein gewisses Maß an psychologischem Verständnis in die Arbeit miteinbringen zu können.  

 

anwaltfinden.at: Welche Unterhaltsansprüche bestehen grundsätzlich nach einer Scheidung?

Österreich ist einer der wenigen Staaten, in denen das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe immer dann geprüft wird, wenn sich die Parteien nicht darüber einig werden können, wie ihre Scheidungsfolgen aussehen sollen. Das bedeutet, die Frage, ob nachehelicher Unterhalt zusteht, wird primär dadurch beantwortet, welcher der beiden Partner mehr Schuld an der Zerrüttung der Ehe trägt. 

Grundsätzlich sollte jeder darauf achten, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Ehescheidung selbst bestreiten kann, wobei jedoch derjenige, der weniger Schuld an der Zerrüttung der Ehe trägt, einen Anspruch auf Unterhalt hat, vorausgesetzt bei Gegenüberstellung der wechselseitigen Einkommensverhältnisse errechnet sich ein entsprechender Unterhalt.    

Für die Berechnung des Unterhalts hat die Rechtsprechung bestimmte Prozentsätze beziehungsweise Formeln eingeführt, je nachdem, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte ein eigenes Einkommen bezieht oder nicht.

Außerdem gibt es seit etwas mehr als 20 Jahren einen sogenannten verschuldensunabhängigen Unterhalt, der aber im Wesentlichen nur dafür konzipiert wurde, um die Sozialhilfe entlasten zu können. Es können nämlich Frauen, die unter fünfjährige Kinder zu betreuen haben oder zu einem Zeitpunkt geschieden werden, zu dem sie zu alt oder zu krank sind, um eigenes Geld zu verdienen, unter bestimmten sehr strengen Voraussetzungen nachehelichen Unterhalt bekommen.   

Für den sogenannten verschuldensunabhängigen Unterhalt gibt es keine klassische Formel, die angewendet werden könnte. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, die zu beleuchten sind. Der verschuldensunabhängige Unterhalt ist in der Regel sehr bescheiden.          

 

anwaltfinden.at: Was versteht man unter einem Unterhaltsverzicht?

Ein Unterhaltsverzicht liegt immer dann vor, wenn die Parteien im Rahmen ihrer Ehescheidung eine Vereinbarung darüber treffen, dass sie auf nachehelichen Unterhalt verzichten. Der Unterhaltsverzicht bedeutet, dass mit Rechtskraft der Scheidung keiner vom anderen mehr Unterhalt fordern kann.

 

anwaltfinden.at: Was bedeutet in diesem Zusammenhang ein einseitiger bzw. wechselseitiger Unterhaltsverzicht?

Darunter versteht man, wer wem gegenüber auf Unterhalt verzichtet.

Eine ganze Weile herrschte die Meinung vor, es hätten immer nur Frauen Unterhaltsansprüche gegenüber den Männern. Mit zunehmender Emanzipation und der Änderung der Familiensituation mit Kindern hat sich dann jedoch klar manifestiert, dass mitunter auch Männer unterhaltsberechtigt sind.

Man sollte daher im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung nie vergessen, dass es wechselseitige Unterhaltsansprüche gibt und daher, wenn man auf Unterhalt verzichtet, auch wechselseitig ein Unterhaltsverzicht angesprochen werden sollte. Es ist besonders schlecht, wenn im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung, die Regelung des Unterhalts eines Ehegatten vergessen wird, wohingegen der andere seinen Anspruch professionell formulieren lässt.

Ein einseitiger Unterhaltsverzicht liegt immer dann vor, wenn ein Partner Unterhalt erhält und der andere darauf verzichtet.

 

anwaltfinden.at: Welche möglichen Motive gibt es für einen Unterhaltsverzicht?

Ein Unterhaltsverzicht wird oft vereinbart, wenn die Einkommenssituation der Partner nahezu gleichwertig ist, wenn man also während der gesamten Ehe immer ähnlich viel verdient. Dann ergibt sich rein rechnerisch oft ein geringer oder gar kein Unterhalt ergeben, wodurch sich der Kampf um das Verschulden nicht rentiert.

Wenn eine Ehe sowohl wirtschaftlich als auch in Bezug auf die Trennungsgründe auf Augenhöhe stattgefunden hat, wenn also beide in etwa gleich viel verdienen und keiner dem anderen grob etwas vorzuwerfen hat, ist ein Unterhaltsverzicht naheliegend. 

Wenn man weiß, dass man im Fall eines Streites vermutlich überwiegend schuldig ist, lohnt sich der Kampf um den Unterhalt nur dann, wenn man wirklich überhaupt kein eigenes Einkommen erzielen kann.  

 

anwaltfinden.at: Wie wird ein Unterhaltsverzicht vereinbart und könnte er rückgängig gemacht werden?

Während aufrechter Ehe kann man nicht auf Unterhalt verzichten. Ein Unterhaltsverzicht ist somit erst für die Zeit nach der Scheidung möglich, wobei dieser häufig im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung festgehalten wird. 

Rückgängig gemacht werden kann er natürlich dann, wenn beide Parteien der Meinung sind, man sollte ihn rückgängig machen. Es wird jedoch nicht so einfach sein, denjenigen, der zuvor bereits erfolgreich einen Unterhaltsverzicht vereinbart hat, davon zu überzeugen, diesen wieder rückgängig zu machen.  

Es kam mitunter vor, dass Gerichte einen Unterhaltsverzicht im Nachhinein aufgehoben haben, mit der Begründung, er habe gegen die guten Sitten verstoßen oder die Umstände hätten sich derart verändert, dass man sich nicht mehr auf einen Verzicht berufen kann.

Hierbei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.

 

anwaltfinden.at: Welche Auswirkungen hat ein Unterhaltsverzicht?

Ein Unterhaltsverzicht bedeutet, dass man von seinem Partner nach der Scheidung keinen Unterhalt mehr erhält, auch wenn sich die Lebensverhältnisse ändern, es sei denn, es wurde etwas anderes vereinbart. So gibt es zum Beispiel auch einen partiellen Unterhaltsverzicht.   

Bei einem allumfassenden Unterhaltsverzicht, der so formuliert ist, dass er auch für eine Änderung der Verhältnisse gilt, kann man – sofern keine der vorhin angeführten Korrekturen durch die Gerichte erfolgt – keinen Unterhaltsanspruch mehr geltend machen.

Eine ganz wesentliche Auswirkung ist, dass man keine Witwenpension erhält, wenn der Expartner stirbt. Der Grundsatz ist, dass die Witwenpension, nach dem Tod des geschiedenen Partners immer nur in der Höhe besteht, wie der Unterhalt zum Zeitpunkt des Todes bestanden hat. Hat man also auf den Unterhalt verzichtet, steht einem auch keine Witwenpension zu.

 

anwaltfinden.at: Wie können Sie, als Anwältin im Familienrecht, Ehegatten bei Regelungen bezüglich des Unterhaltes behilflich sein? 

Wie aus dem bereits Gesagten hervorgeht, ist der Unterhalt keine so klare Angelegenheit, bei der man sagt, das steht mir zu, das steht mir nicht zu.  

Bereits die Beratung zur Frage, wie stehen die Chancen überhaupt einen nachehelichen Unterhalt zu erhalten, benötigt Fachkunde. Die Berechnung des Unterhalts ist ebenfalls nicht einfach, vor allem da man davon ausgehen kann, dass man nicht immer Angestellte oder Beamte als Unterhaltsverpflichtete hat, deren Einkommen durch Lohnzettel relativ leicht nachzuweisen ist. Die Berechnung des Unterhalts beziehungsweise des Einkommens von Grenzgängern oder Selbstständigen stellt für sich eine Wissenschaft dar, die in der Regel für rechtsunkundige Personen schwer zu bewältigen ist. Der Einkommensteuerbeschied allein bietet zu wenig Grundlage für die Berechnung des Unterhalts.

Dass Anwälte dabei hilfreich sein können, steht außer Frage.     

 

anwaltfinden.at: Was raten Sie Mandanten, die auf Unterhalt verzichten möchten?

Es kommt auf die Lebenssituation der Mandantinnen und Mandanten an.

Sollte beispielsweise eine Frau zu mir kommen, die bisher keine Pensionszeiten erworben hat, die überhaupt keine Absicherung hat und womöglich nicht einmal einen Beruf ausübt, der sie ernährt, die aber von ihrem Partner dermaßen unter Druck gesetzt wird, auf ihren Unterhalt zu verzichten, sage ich ihr natürlich, dass sie dies unter gar keinen Umständen tun soll.

In den allermeisten Fällen muss man jedoch zunächst – gemeinsam mit den Klienten – die genauen Umstände beleuchten. Insbesondere ist zu erheben, wie die eigene Einkommens- und Pensionssituation aussieht. Bei einer Ehe, die nur ein halbes Jahr gedauert hat und der keine Kinder entstammen, habe ich kein großes Problem, den Klienten zu sagen, sie sollen auf den Unterhalt verzichten – es sei denn, sie sind arbeitsunfähig oder nur eingeschränkt arbeitsfähig.

Aber bei sehr langen Ehen, die es immer noch gibt und die lange Zeit als sogenannte Hausfrauenehen konzipiert waren, muss man genau hinschauen. Sollten mir die betroffenen Frauen zusätzlich sagen, sie fühlen sich an der Zerrüttung der Ehe nicht schuldig, dann rate ich ihnen ganz stark von einem Unterhaltsverzicht ab.  

Sollte jemand zu mir kommen und sagen, er hat einen neuen Partner und möchte unbedingt geschieden werden, damit sie mit diesem zusammenziehen oder wieder heiraten können, ist ein Unterhaltsverzicht ebenfalls vertretbar. Der Unterhalt ruht nämlich, sobald man mit einem anderen Partner in einer Lebensgemeinschaft lebt. 

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Ich begleite Sie gerne in Ihren Anliegen des Familienrechts – Dr. Birgitt Breinbauer LL.M.

 

Sie benötigen rechtlichen Beistand im Unterhaltsrecht oder haben ein anderes Anliegen im Familienrecht? Dr. Birgitt Breinbauer freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme. In Ihrer Kanzlei in 6850 Dornbirn berät und vertritt Sie Ihre Mandanten vertrauensvoll und zuverlässig. Weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Rechtsanwältin und Familienrechtsexpertin, Dr. Birgitt Breinbauer LL.M., auf anwaltfinden.at. 

Anwaltssuche

Anwalt benötigt?

Passende Anwälte in unserer Anwaltssuche finden
Anwaltssuche
Anwalt benötigt?
Passende Anwälte in unserer Anwaltssuche finden