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Auszahlung von Geschwistern – Was sollte man beachten und wie geht man am besten vor?

Im Rahmen eines Erbfalles stellt sich oft die Frage, wem nun was zusteht. Aufgrund dieser Unklarheiten kommt es nicht selten zu unschönen Streitigkeiten zwischen den Angehörigen. Das folgende Interview gibt einen guten Einblick rund um die Thematik des Erbrechts. Was bei einer Auszahlung der Geschwister zu beachten ist und welche Stolpersteine vermieden werden können, erklärt Rechtsanwalt Dr. Peter Bartl ausführlich im Interview:

anwaltfinden.at: Herr Dr. Bartl, möchten Sie sich unseren Usern vielleicht kurz vorstellen?

Ich bin seit 1987 als selbstständiger Rechtsanwalt tätig und führe eine mittelgroße Kanzlei in Graz. Mein Tätigkeitsschwerpunkt ist neben Wirtschaftsstrafrecht insbesondere auch das Erbrecht, mit dem ich mich seit vielen Jahrzehnten intensiv befasse. 

anwaltfinden.at: Wie Sie bereits erwähnten sind Sie unter anderem Experte im Bereich des Erbrechts. Worauf ist zu achten, wenn ich ein Geschwisterteil ausbezahlen muss?

Im Zuge meiner langjährigen Erfahrung im Bereich des Erbrechts kann ich berichten, dass Streitigkeiten meistens dann auftreten, wenn im Rahmen eines Testamentes eines der Kinder zum Universalerben bestellt und die übrigen Kinder auf den Pflichtteil gesetzt werden. Damit wird der Erbteil der pflichtteilsberechtigten Kinder auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteiles reduziert. Diese Ungleichbehandlung ruft häufig heftige Emotionen hervor, die gerichtliche Auseinandersetzungen zur Konsequenz haben. Hier ist zu beachten, dass die auf den Pflichtteil reduzierten Kinder schon im Verlassenschaftsverfahren das Recht haben, die Inventarisierung und Schätzung des gesamten Nachlassvermögens zu beantragen.

Dann wird das gesamte Nachlassvermögen von Sachverständigen geschätzt. Die Gutachten bilden dann eine verlässliche Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils. Wichtig ist dabei, dass bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche nicht vom sogenannten Einheitswert, der nur eine steuerliche Größe darstellt, sondern vom tatsächlichen Marktwert der Liegenschaften ausgegangen wird.

 

anwaltfinden.at: Worauf sollte man besonders achten, wenn man im Bereich des Erbrechts arbeitet?

Das Erbrecht ist eine sehr komplizierte und komplexe Rechtsmaterie. Für den Laien ist es im Einzelfall sehr schwierig, sich im Dschungel der Bestimmungen zurechtzufinden. Seit 01.01.2017 ist ein neues Erbrecht in Kraft. Daher empfiehlt es sich, insbesondere die neuen Bestimmungen nicht außer Acht zu lassen. Die Beiziehung eines Rechtsanwaltes ist jedem Fall empfehlenswert und lohnt sich fast immer.

 

anwaltfinden.at: Wann kommt es dazu, dass ein Geschwisterteil ausbezahlt werden muss?

 Die Auszahlung von Geschwistern ist immer dann ein Thema, wenn eines von mehreren Kindern das Vermögen der Eltern allein übernimmt. Entweder im Zuge einer Übergabe unter Lebenden, im Zuge einer Erbteilung, oder weil ein Kind zum Universalerben eingesetzt und die anderen auf den Pflichtteil reduziert wurden. Eine Übergabe bei Lebzeiten bedeutet, dass die Eltern schon zu Lebzeiten einem Kind ihr ganzes Vermögen übergeben. Hierbei wird zumeist im Rahmen einer intakten Familie mit den übrigen Kindern eine Einigung erzielt.

In den meisten Fällen erhalten die sogenannten „weichenden Erben“ (Kinder, die auszuzahlen sind) einen Geldbetrag und geben dafür einen Erb- und Pflichtteilsverzicht ab. Zu beachten ist aber, dass eine solche Einigung unbedingt in Form eines Notariatsaktes geschehen muss. Damit sind die Ansprüche dieser Kinder endgültig erloschen. Im Erbfalle wiederum tritt die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen in Kraft. Der Anspruch eines Pflichtteilsberechtigten entsteht aber immer erst mit dem Tod des Erblassers.

 

anwaltfinden.at: Was steht mir rechtlich auf jeden Fall zu?

Sofern ich als eines von mehreren Kindern oder als Ehegatte in einem Testament nicht berücksichtigt worden bin, steht mir auf jeden Fall der Pflichtteil zu. Der Pflichtteil ist die Hälfte dessen, was sich nach dem Gesetz geerbt hätte.

 

anwaltfinden.at: Was ist bei einer Hinzurechnung und Anrechnung von Vorschenkungen zu beachten?

Ein eigenes Kapitel sind Schenkungen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten gemacht hat. Solche Schenkungen sind bei der Berechnung der Pflichtteilsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen. Hier gibt es keine zeitliche Befristung, wenn sie an andere Pflichtteilsberechtigte Personen gemacht wurden. Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Dritte sind nur einzubeziehen, wenn sie innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod des Erblassers gemacht worden sind. Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte selbst erhalten hat, sind zunächst der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen und dann von der Pflichtteilsquote in voller Höhe wieder abzuziehen.

Bei der Hinzurechnung und Anrechnung von Vorschenkungen ist zu beachten, dass solche Schenkungen bei einer Berechnung der Pflichtteilsbemessungsgrundlage zum Zeitpunkt der Schenkung zu bewerten sind. Betrachtet wird hier also der Wert des Schenkungsgegenstandes zum Zeitpunkt, an jenem die Schenkung gemacht wurde. In weiterer Folge ist dann allerdings dieser Wert mit dem Verbraucherpreisindex bis zum Todeszeitpunkt des Erblassers aufzuwerten. Bei Pflichtteilsansprüchen ist zu beachten, dass ab dem Todeszeitpunkt der Pflichtteilsanspruch, der ein reiner Geldanspruch ist, mit 4 % bis zur tatsächlichen Bezahlung verzinst wird.

 

anwaltfinden.at: Wie ist der generelle Ablauf im Falle einer Auszahlung gegliedert?

In der Regel schließt man eine Vereinbarung ab. Im Falle einer Erbteilung gibt es ein sogenanntes Erbteilungsübereinkommen und bei einer Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen ein Pflichtteilsübereinkommen. Bei Übergaben zu Lebzeiten ist dies ein sogenannter Erb-und Pflichteilsverzichtsvertrag. Dieser muss in Form eines Notariatsaktes erfolgen. Wenn alle Kinder zu Erben berufen sind, kann man im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens einvernehmlich festlegen, dass eines der Kinder die Liegenschaft oder den Betrieb übernimmt und die anderen ausbezahlt. In diesem Fall liegt wie bereits oben kurz erwähnt ein sogenanntes Erbteilungsübereinkommen vor. Zur Erleichterung der Festlegung der Höhe von Ausgleichszahlungen werden üblicherweise Gutachten eingeholt.

 

anwaltfinden.at: Welche Schwierigkeiten können sich bei der Auszahlung ergeben?

Am meisten bereitet die Festlegung der Bemessungsgrundlage Schwierigkeiten. Oftmals sind sich die Beteiligten über den Wert von Liegenschaften und anderen wertvollen Vermögensgegenständen nicht einig. In solchen Fällen müssen Sachverständige helfen.

Ein häufiger Streitpunkt ist auch die sogenannte Pflichtteilsminderung. Wenn beispielsweise zwischen dem Erblasser und einem Kind über eine sehr lange Zeit oder nie ein familiäres Verhältnis geherrscht hat, kann der Erblasser letztwillig den Pflichtteil auf die Hälfte mindern. Die Voraussetzungen für diese Pflichtteilsminderung muss aber der Erbe beweisen. Diese Rechtslage ist ein häufiger Grund für gerichtliche Auseinandersetzungen.

 

anwaltfinden.at: Kann sich mein Geschwisterteil weigern mich auszuzahlen?

Bei der Übergabe von Liegenschaften oder anderen Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers besteht kein Anspruch. Ein solcher entsteht erst mit dem Tod des Geschenkgebers beziehungsweise Erblassers. In diesem Fall kann sich ein Geschwisterteil allerdings nicht weigern, den Pflichtteil zu bezahlen. Der Pflichtteil kann aber erst ein Jahr nach dem Tod des Erblassers gerichtlich geltend gemacht werden.

 

anwaltfinden.at: Wie setzt sich die Bemessungsgrundlage zusammen?

Zunächst ist festzustellen, welches Vermögen der Erblasser zum Todeszeitpunkt besessen hat. Danach muss geprüft werden, ob es Anrechnungs- oder hinzurechnungspflichtige Schenkungen gab. Diese sind dann nach den Kriterien, welche bereits besprochen wurden, dieser Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen. Kurz zusammengefasst: Die Bemessungsgrundlage besteht aus dem gesamten Vermögen des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes, zuzüglich anrechnungspflichtiger Schenkungen, die er zu Lebzeiten gemacht hat.

 

anwaltfinden.at: Wann bekomme ich die Auszahlung?

 Das kommt ganz darauf an. Bei einer Übergabe unter Lebenden muss eine Vereinbarung vorliegen, sonst gibt es ohne dies kein Geld. Und in dieser Vereinbarung wird auch festgelegt, wann das Geld ausbezahlt wird. Wenn man etwas erbt, kann man prinzipiell über seinen Erbteil mit Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses verfügen. Der Einantwortungsbeschluss ist jener, mit dem die Verlassenschaft beendet und an die Erben verteilt wird. Der Pflichtteil kann frühestens ein Jahr nach dem Tod des Erblassers gefordert werden.

 

anwaltfinden.at: Was sind, Ihrer Meinung nach, hilfreiche Tipps im Zuge der Auszahlung eines Geschwisterteiles im Erbfall?

Ich würde in jedem Fall empfehlen gleich zu Beginn, einen Rechtsanwalt beizuziehen. Ein Rechtsbeistand hat die Erfahrung und den Überblick, um die Ansprüche bestmöglich geltend zu machen. In jedem Fall sollten Sachverständigengutachten eingeholt werden, um die Höhe der Ansprüche zweifelsfrei bestimmen zu können. Erfahrung und Expertenwissen sind aufgrund der komplexen Thematik nicht zu ersetzen.

 

anwaltfinden.at: Wie können nun Sie, als Experte im Bereich des Erbrechts, hilfreich im Falle einer Auszahlung eines oder mehreren Geschwisterteilen sein?

Wie bereits dargestellt, hat der Anwalt die Erfahrung und die Expertise, Erb- und Pflichtteilsansprüche außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen oder abzuwehren. Durch die Beiziehung eines Anwaltes wird auch der Druck auf die Gegenseite entsprechend erhöht. Im Falle eines gerichtlichen Streites ist ohnehin ab einem Streitwert von € 4.000,00 die Beiziehung eines Rechtsanwaltes vom Gesetz her vorgeschrieben.

Die Beiziehung eines Anwaltes lohnt sich fast immer. Die Kosten, die dadurch entstehen, stehen meist in keiner Relation zum Vorteil, den man erreichen kann. Ich empfehle in jedem Fall, von Anfang an einen Rechtsanwalt beizuziehen. Sehr oft kann dadurch ein gerichtlicher Streit und die damit verbundenen hohen Prozesskosten vermieden werden. Speziell im Erbrecht ist noch zu erwähnen, dass ein Rechtsanwalt nicht mit den Emotionen der Betroffenen handelt, sondern professionell und sachlich an die Sachlage herantritt. Dadurch lässt sich oftmals schneller eine Lösung finden und Streitigkeiten abfedern oder gar vermeiden.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Dr. Peter Bartl – Ihr verlässlicher Ansprechpartner in allen Belangen des Erbrechts

Sind Sie auf der Suche nach einem kompetenten Rechtsanwalt, der Sie in Ihrer persönlichen Erbrechtsangelegenheit erfolgreich vertritt? Rechtsanwalt und Erbrechtsexperte Dr. Peter Bartl berät und vertritt Sie zuverlässig in Ihren Anliegen rund um das Erbrecht. Für ein persönliches Erstberatungsgespräch kontaktieren Sie die Anwaltskanzlei in Graz. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Dr. Peter Bartl auf anwaltfinden.at.

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