Wenn im Testament ein Alleinerbe benannt wird, kann das viele Unsicherheiten auslösen: Welche Rechte und Pflichten hat dieser Erbe? Bestehen die Pflichtteilsansprüche der Familie weiterhin? Wie können Streitigkeiten mithilfe eines Anwalts vermieden werden? Erbrechtsexperte und Rechtsanwalt Dr. Franz Lima beantwortet die wichtigsten Fragen rund um Alleinerbe und Pflichtteil im Interview.
Mein Name ist Dr. Franz Lima. Ich bin ausgebildeter Finanzakademiker, das heißt ich habe nach dem Studium und Gerichtsjahr die Ausbildung im gehobenen Finanzdienst absolviert. In der Folge war ich leitender Angestellter der Wirtschaftskammer NÖ. Die Anwaltstätigkeit ist meine dritte Berufskarriere, aber sicher der Beruf, in welchem ich meine Erfüllung gefunden habe.
Ich sehe meinen Vorteil insbesondere darin, dass ich sowohl über interne als auch externe Erfahrungen im Umgang mit Behörden und Institutionen verfüge und insbesondere interne Erfahrungswerte habe, die andere Kollegen nicht haben.
Gerade im Erbrecht ist es wichtig, dass die „Chemie“ zwischen Rechtsanwalt und Mandanten stimmt. Das liegt nicht nur daran, dass teils hohe Ansprüche der Mandanten im Verlassenschaftsverfahren geltend gemacht werden sollen, sondern auch, weil unter Umständen persönliche Kränkungen eine Einigung der Erben be- bzw. verhindern. Ich denke, gerade im Erbrecht benötigt der Anwalt ein hohes Maß an Empathie.
Der Alleinerbe tritt in die gesamten Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein, das gilt anteilsmäßig übrigens genauso für einzelne Erben. Er wird sozusagen Gesamtrechtsnachfolger. Bei der Schenkung von Gegenständen bzw. Liegenschaften spricht man hingegen nur von einer Einzelrechtsnachfolge.
Zu beachten ist jedenfalls, dass man als Erbe auch die Schulden des Erblassers übernimmt. Hier gibt es deshalb auch die Möglichkeit einer bedingten bzw. unbedingten Erbantrittserklärung, die der Alleinerbe abgeben kann. Wichtig ist, dass der Erbe bei einer unbedingten Erbantrittserklärung unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen haftet, bei der bedingten Erbantrittserklärung zwar auch mit seinem gesamten Vermögen, aber nur im Ausmaß der Aktivposten der Verlassenschaft.
Trotz der grundsätzlichen Testierfreiheit in Österreich gibt es im Erbrecht gesetzliche Einschränkungen, nämlich das Pflichtteilsrecht.
Pflichtteilsberechtigte Personen sind zum einen die Nachkommen des Erblassers, also dessen Kinder und Kindeskinder, zum anderen die Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner. Bloße Lebensgefährten haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil. Die Pflichtteilsansprüche bestehen unabhängig davon, ob Alleinerbeneinsetzung oder die Einsetzung mehrerer Erben erfolgt. Den Geldpflichtteil kann der Pflichtteilsberechtigte erst ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen einfordern. Der Pflichtteilsanspruch stellt betragsmäßig die Hälfte des gesetzlichen Erbteils dar, den der Pflichtteilsberechtigte hätte, wäre kein Testament errichtet worden.
Der letztwillig Verfügende kann die Stundung des Pflichtteilsanspruches auf höchstens fünf Jahre nach seinem Tod oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraumes anordnen. Das Verlassenschaftsgericht kann aber die 5-Jahresfrist reduzieren, wenn eine fünfjährige Frist den Pflichtteilsberechtigten unbillig hart treffen würde. Allerdings kann die Stundung des Pflichtteilsanspruches seitens des Gerichtes auf insgesamt höchstens zehn Jahre verlängert werden.
Das Pflichtteilsrecht regelt das Forderungsrecht der Pflichtteilsberechtigten dem Nachlass bzw. den Erben gegenüber. Der Pflichtteilsberechtigte ist nicht wie der Erbe quotenmäßig berechtigt, sondern hat nur einen Anspruch auf eine bestimmte Geldsumme, nicht auf Verlassenschaftsgegenstände.
Einerseits werden die Pflichtteilsansprüche erst ein Jahr nach dem Ableben des Erblassers fällig. Andererseits muss das Recht, den Geldpflichtteil zu fordern, bzw. einen Geschenknehmer des Erblassers wegen Verkürzung des Pflichtteils in Anspruch zu nehmen, binnen drei Jahren ab Kenntnis der für das Bestehen des Anspruchs maßgebenden Tatsachen – sohin Kenntnis vom Todesfall des Erblassers – gerichtlich geltend gemacht werden. Ansonsten sind die Ansprüche verjährt. Unabhängig von dieser Kenntnis verjähren die Rechte, den Pflichtteil einzufordern, 30 Jahre nach dem Tod des Erblassers. Das bedeutet, 31 Jahre nach dem Tod des Verstorbenen können die Pflichtteilsansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, auch wenn der Pflichtteilsberechtigte erst seit kurzem vom Ableben des Erblassers weiß.
Wenn die Alleinerbschaft schon eingeantwortet ist, kann nur im strittigen Verfahren mit einer Klage vorgegangen werden. Hier ist vorerst die Erbschaftsklage zu nennen, mit der ein besseres Recht als der eingesetzte Erbe geltend gemacht wird, oder es muss zumindest vorgebracht werden, weshalb ein quotenmäßiger Anspruch auf die Verlassenschaft besteht.
Es kann auch dann Erbschaftsklage gegen den Alleinerben eingebracht werden, wenn ein bis dato nicht vorliegendes Testament jüngeren Datums als das der Verlassenschaft zugrunde liegende vorgewiesen werden kann, in dem der Kläger als Alleinerbe genannt wird.
Pflichtteilsberechtigte Personen können gegen die eingeantworteten Erben eine Pflichtteilsklage einbringen. Dies insbesondere dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte gar nicht bedacht bzw. bewusst übergangen wurde.
Es kann vorkommen, dass der Erblasser sein Vermögen schon zu Lebzeiten verschenkt hat, sodass für die Pflichtteilsberechtigten im Nachlass nichts mehr vorhanden ist. Hier räumt das ABGB dem Pflichtteilsberechtigten einen direkten Anspruch gegen den Beschenkten auf Ergänzung des Pflichtteils aus dem Gegenstand der Schenkung ein, soweit die Verlassenschaft zur Deckung des durch die Hinzurechnung der Schenkung erhöhten Pflichtteils nicht ausreicht.
Unter bestimmten Umständen ist es dem Erblasser möglich, einzelne Personen durch letztwillige Verfügung vom Erwerb des Pflichtteils auszuschließen. Allerdings ist ein solcher Pflichtteilsentzug nur unter bestimmten Voraussetzungen gültig:
Für solche Fälle kann der Erblasser im Testament anordnen, dass ein Ersatzerbe bestellt wird. Dieser kommt eben zum Zug, wenn der ursprüngliche Universalerbe durch früheres Ableben bzw. durch Entschlagung nicht zum Zug kommt.
Ist kein Ersatzerbe vorgesehen, ist die gesetzliche Erbfolge anzuwenden.
Ganz wird ein Anwalt Streitigkeiten rund um Alleinerbe und Pflichtteil nicht vermeiden können. Als fachkundiger Rechtsanwalt für Erbrecht kann ich aber mit dem potenziellen Erblasser vorweg mögliche Probleme mit den Erben klären, sowie die Pflichtteilsberechtigungen prüfen. Im Beratungsweg kann ich auch den potenziellen Erblassern einen Überblick über die Erbfolge und allfällige Pflichtteilsansprüche geben und auf diese Weise versuchen, Streitigkeiten zu vermeiden.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Haben Sie Fragen zu Pflichtteilsansprüchen bei Alleinerbensetzung? Brauchen Sie Unterstützung in erbrechtlichen Anliegen? Dr. Franz Lima beantwortet alle Ihre Fragen und unterstützt Sie im erbrechtlichen Prozess. Persönliche Betreuung und langjährige Erfahrung in Wirtschaftsfragen macht seine Kanzlei in 2320 Schwechat besonders. Mehr Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Dr. Franz Lima auf anwaltfinden.at.
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