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Pflichtteilsberechtigte – Wer hat Anspruch auf einen Pflichtteil?

Dr. Markus Walla Gespräch Dornbirn

Nicht über das gesamte Erbe kann ein Erblasser frei verfügen, denn: Es gibt Pflichtteile, die bestimmten Personengruppen zustehen. Wer einen Pflichtteil erhält, wie viel dieser ausmacht und wie ein Anwalt dabei helfen kann, ein Testament zu verfassen, das diese berücksichtigt, erklärt Erbrechtsexperte Dr. Markus Walla im Interview.

anwaltfinden.at: Herr Dr. Walla, könnten Sie sich und Ihren beruflichen Werdegang kurz vorstellen?

Mein Name ist Dr. Markus Walla, ich bin Rechtsanwalt in Dornbirn seit 1997. Ich bin in Kanzleipartnerschaft mit meinem Partner Dr. Klaus Fischer. Bereits die Ausbildung als Rechtsanwaltsanwärter habe ich in der Kanzlei meines jetzigen Partners gemacht. Daher bin ich seit 1994 – also seit über 25 Jahren – Teil dieser Kanzlei. Wir sind hier in Vorarlberg und können auch grenzüberschreitend in Liechtenstein tätig sein. Unsere Klientel befindet sich einerseits hier im Land, aber auch andererseits in den umliegenden grenznahen Regionen, in der Schweiz, in Deutschland und natürlich im restlichen Teil Österreichs. Unsere Spezialgebiete, die wir mit zwischenzeitlich jahrzehntelanger Erfahrung bearbeiten, bewegen sich insbesondere im Bereich des Liegenschafts-, Immobilien-, Scheidungs-, Gesellschafts- und Erbrechtes, im Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht bzw. im sonstigen Zivilrecht. Im Insolvenzrecht sind wir sowohl als Masseverwalter als auch als Schuldner- oder Gläubigervertreter tätig, weshalb das Insolvenzrecht beständiger Teil unserer Tätigkeit ist.

 

anwaltfinden.at: Wann spricht man im Erbrecht vom Pflichtteil und was ist seine Funktion?

Ein Erblasser kann mit seinem Vermögen eigentlich machen, was er will. Er kann es zu Lebzeiten verschenken, er kann es per letztwilliger Verfügung einer bestimmten Person oder Organisation zukommen lassen und kann den oder diejenige als Erbe einsetzen. Das ist der Ausgangspunkt.

Es gab und gibt aber im Gesetz – und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch ist schon 200 Jahre alt – einen gewissen Personenkreis, der dennoch vor allzu großer Willkür des Erblassers geschützt werden soll. Diesen Personenkreis nennt man die Pflichtteilsberechtigten, denen, anders bezeichnet, ein Noterbrecht zukommt. Diese Personen sollen jedenfalls eine gewisse Minimum-Quote aus dem Vermögen eines Erblassers erhalten. Das ist das Pflichtteilsrecht.

Es kann verschiedene Konstellationen geben, die die Geltendmachung eines solchen Pflichtteils aber zum Problem werden lassen. Eine davon ist die Thematik rund um den sogenannten Schenkungspflichtteil. Diese ist immer dann gegeben, wenn in einem Nachlass gar nichts mehr vorhanden ist, oder in einem Nachlass so wenig vorhanden ist, dass der Pflichtteil nicht bedient werden kann. Dann muss geschaut werden, was der Erblasser zu Lebzeiten mit seinem Vermögen gemacht hat. Daraus können, aber müssen nicht, wieder Ansprüche für den Pflichtteilsberechtigten als sogenannter Schenkungspflichtteil entstehen.

 

anwaltfinden.at: Wer hat in erster Linie Anspruch auf einen Pflichtteil?

Die wichtigsten sind klassisch die Nachkommen. Das gilt auch für uneheliche Kinder, wenn diese als Kinder nachgewiesen sind. Es geht hier um die Blutsverwandtschaft, aber auch Adoptivkinder haben einen Pflichtteilsanspruch. Daneben gibt es auch ein gesondertes Pflichtteilsrecht der Ehegatten. Dieses besteht immer neben den Nachkommen und betrifft die Ehegatten und eingetragenen Partner, diese sind ebenfalls pflichtteilsberechtigt.

 

anwaltfinden.at: Können auch Enkelkinder Pflichtteilsansprüche haben?

Enkelkinder sind abstrakt pflichtteilsberechtigt. Sie sind Nachkommen, aber ob sie konkret etwas bekommen, wenn der Erblasser stirbt, hängt davon ab, ob ihr eigener Elternteil noch lebt. Wenn ihr eigener Elternteil noch lebt und nicht enterbt ist, erhalten sie keinen Pflichtteil. Wenn der Elternteil vorverstorben sein sollte, dann repräsentieren die Enkelkinder diesen Vorfahren und wären dann auch konkret pflichtteilsberechtigt. Abstrakt pflichtteilsberechtigt heißt, dass sie in einer Art Wartestellung sind.

 

anwaltfinden.at: Haben auch unverheiratete Partner Ansprüche?

Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass unverheiratete und nicht eingetragene Partner keine gesetzlichen Erben darstellen und daher auch keinen Pflichtteilsanspruch haben. Es gibt seit der letzten Erbrechtsnovelle 2016 eine Ausnahme dahingehend, dass unverheiratete Partner, die mit dem Lebensgefährten zumindest in den letzten drei Jahren vor dem Tod im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, als außerordentliche Erben dann zum Zuge kommen, wenn es keine gesetzlichen und testamentarischen Erben gibt. Bevor der Staat Österreich im Rahmen seines Aneignungsrechtes zum Zug kommt, erben in dem Fall die betreffenden Lebensgefährten. Das ist aber eine eher selten vorkommende Konstellation. Pflichtteilsberechtigt sind sie aber nicht, sondern nur in einem ganz engen Bereich allenfalls gesetzliche Erben, im Rahmen eines außerordentlichen Erbrechts.

 

anwaltfinden.at: Wie sieht es mit Eltern, Geschwistern und Stiefkindern aus?

Geschwister hatten und haben keinen Pflichtteilsanspruch. Sie können aber gesetzliche Erben sein. Dasselbe gilt für Stiefkinder – nicht aber Adoptivkinder – erstere sind nicht pflichtteilsberechtigt. Die Eltern waren früher unter Umständen pflichtteilsberechtigt, sind es aber seit der letzten Erbrechtsnovelle nicht mehr. Das ist eine wesentliche Änderung, insbesondere für Paare, die nicht verheiratet sind und keine Kinder haben, deren Eltern aber noch leben. Diese können mit einer letztwilligen Verfügung nun, ohne auf den Pflichtteil der Eltern achten zu müssen, den Lebenspartner begünstigen.

 

anwaltfinden.at: Wie viel machen die Pflichtteile für die jeweiligen Personen auch im Vergleich zu ihrem gesetzlichen Erbteil aus?

Wenn man die Quote berechnet, muss man als Ausgangspunkt die ganz konkrete gesetzliche Erbfolge heranziehen. Ein potenzieller Pflichtteilsberechtigter oder jemand, der sich die Frage stellt, was sein Pflichtteil ist, muss sich zuerst einmal ansehen, wie groß sein gesetzlicher Erbanspruch ist. Wenn er das ausgerechnet hat, kann er den Pflichtteil berechnen, indem er diesen gesetzlichen Erbteil halbiert. 50 Prozent der gesetzlichen Erbquote entspricht der Pflichtteilsquote.

Es gibt eine zusätzliche Ausnahme: Wenn über einen längeren Zeitraum kein Naheverhältnis des Pflichtteilsberechtigten zum Erblasser bestanden hat, hier sprechen wir von zumindest 20 Jahren, kann diese Pflichtteilsquote nochmal, nämlich auf ein Viertel, halbiert werden. Das ist beispielsweise möglich, wenn jemand zu einem unehelichen Kind überhaupt keinen Nahebezug hat. Der Erblasser kann dieses uneheliche Kind beispielsweise in einer letztwilligen Verfügung gleich mit dem Hinweis, dass in den letzten 20 Jahren kein Naheverhältnis bestanden hat, auf einen halbierten Pflichtteil setzen.

Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch muss man zudem wissen, dass zwar primär der Wert des Verlassenschaftsvermögens heranzuziehen ist, aber zu berücksichtigen sind eben auch – und das macht oftmals sogar mehr aus – bereits zu Lebzeiten des Erblassers vor allem an Pflichtteilsberechtigte getätigte Schenkungen. Stichwort: Schenkungspflichtteil!

 

anwaltfinden.at: Wann erhalten Pflichtteilsberechtigte wirklich nur den Pflichtteil?

Wenn ein Erbe testamentarisch eingesetzt ist, der nicht der Pflichtteilsberechtigte ist. Dann muss sich der Berechtigte auf den Pflichtteil berufen, um überhaupt etwas zu bekommen. Eine andere Konstellation wäre dann gegeben, wenn im Nachlass nichts mehr vorhanden ist. Wenn ich theoretisch gesetzlicher Erbe wäre oder sogar testamentarischer Erbe und pflichtteilsberechtigt, es ist aber nichts mehr da. Dann habe ich, wie bereits zuvor als Problemkonstellation beim sogenannten Schenkungspflichtteil erwähnt, lediglich die Möglichkeit, zu schauen, ob zu Lebzeiten an andere pflichtteilsberechtigte Personen Schenkungen gemacht wurden. Dann könnte der Pflichtteilsberechtigte unter Umständen versuchen, noch etwas von diesem Geschenknehmer zu bekommen.

 

anwaltfinden.at: Gibt es Situationen, in denen Berechtigte keinen Pflichtteil erhalten?

Auch das kann es geben, zum Beispiel bei einer Enterbung. Wenn der Pflichtteilsberechtigte ganz schwerwiegende Verstöße – hier gibt es allerdings strenge Voraussetzungen im Gesetz – im Verhalten gegenüber dem Erblasser begangen hat. Ein Extremfall: Der Pflichtteilsberechtigte hat den Erblasser beispielsweise mit Mord bedroht. Dann könnte der Erblasser diese Person in einer letztwilligen Verfügung enterben. Die Erben, die dieses Erbe beanspruchen, müssten allerdings beweisen, dass der Enterbungsgrund wirklich gegeben ist, wenn der betreffende Pflichtteilsberechtigte die Voraussetzungen für die behauptete Enterbung bestreitet. Das ist eher eine seltene Konstellation, kommt aber dennoch vor.

Ein Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten ist auch möglich. Dieser muss allerdings in einer ganz bestimmten Form erfolgen, nämlich mittels eines Notariatsaktes. Es reicht dazu also nicht aus, eine schlichte Vereinbarung zwischen Pflichtteilsberechtigtem und potentiellem Erblasser abzuschließen.

 

anwaltfinden.at: Was passiert mit dem Erbe, wenn es keine Pflichtteilsberechtigten gibt?

Wenn es einen gesetzlichen oder testamentarischen Erben gibt, dann bekommt er den Nachlass. Der Pflichtteilsanspruch kommt ja immer erst dann zur Diskussion, wenn es einen Erben gibt und jemand anders, konkret der letztwillig nicht bedachte Pflichtteilsberechtigte, sich eben auf sein Pflichtteilsrecht berufen muss. Das ergibt sich sozusagen automatisch aus der Situation.

Wenn alle Stricke reißen, wenn es sohin keine gesetzlichen oder testamentarischen Erben und keinen Lebensgefährten gibt, auch keine Vermächtnisnehmer, die in einem Sonderfall ein Erbe bekommen können, geht das Erbe an den Staat. Das kommt in der Praxis eher selten vor.

 

anwaltfinden.at: Wie und mit welchen Problemstellungen können Sie, als Experte im Erbrecht, Personen helfen, die sich mit dem Pflichtteil auseinandersetzen?

Die relevanteste Problemstellung in der Praxis ist, dass der Erblasser oder die Erblasserin, wenn er oder sie daran denkt, was sie mit dem Nachlass tun können oder sollen, auch bzw. überhaupt darauf achtet, dass es eben mögliche Pflichtteilsberechtigte gibt. Dort setzt auch die Beratung an, wenn jemand gerne eine letztwillige Verfügung machen möchte. Man eruiert zunächst die Familienkonstellation und klärt ab, wer welche Ansprüche hat. Hier kommen dann selbstverständlich auch die Pflichtteilsberechtigten zur Diskussion.

Wenn der Erblasser verstorben sein sollte, ist eine der häufigen Erbrechtsproblematiken der schon zuvor wiederholt angesprochene Schenkungspflichtteil. Das kommt häufig vor, weil Erblasser die Ansprüche von potentiell Pflichtteilsberechtigten beispielsweise durch noch zu Lebzeiten erfolgte Schenkungen an andere nicht so bedacht haben, wie sie es hätten sollen. Dann kann es passieren, dass ein in diesem Sinn finanziell zu kurz gekommener oder nicht ausreichend bedachter Pflichtteilsberechtigter mit seinen Ansprüchen sinnbildlich aufzeigt. Dann gibt es meistens Streit. Hier ist es für einen solchen in seinen Ansprüchen beschnittenen Pflichtteilsberechtigten wichtig und empfehlenswert, sich profund beraten zu lassen, denn es gibt Fristen.

Auch können die verschiedenen sehr einzelfallbezogenen Konstellationen und Fragestellungen komplex sein. Der Pflichtteilsanspruch muss binnen drei Jahren geltend gemacht werden, sonst verjährt er. Das kann dann durchaus in eine größere Recherchearbeit ausarten, wenn es darum geht, was ein Erblasser wann und an wen zu Lebzeiten schon verschenkt hat. Hier hilft, dass es mittlerweile einen Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten im Gesetz gibt. Wenn man sich heute als Pflichtteilsberechtigter fragt, was der Erblasser mit seinem Vermögen zu Lebzeiten getan hat, müssen die Erben darüber Auskunft geben. Daraus kann abgeleitet werden, ob es einen Schenkungspflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten geben könnte und gegen wen er konkret vorgehen müsste.

 

Dr. Markus Walla – Ihr zuverlässiger Anwalt im Erbrecht

Brauchen Sie Hilfe in einer erbrechtlichen Angelegenheit? Egal, ob es sich um Pflichtteile oder eine andere Thematik handelt – Dr. Markus Walla steht Ihnen zur Seite. Gerne berät der Erbrechtsexperte während eines Erstgesprächs in seiner Kanzlei in 6850 Dornbirn. Kontaktdaten sowie weitere Informationen finden Sie auf dem Profil von Dr. Markus Walla auf anwaltfinden.at. 

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