Kommt jemand in Untersuchungshaft, ist das für den/die Betroffene/n stets eine Extremsituation. Aber wie verhält man sich in solch einer Situation, um keine negativen Auswirkungen zu erzielen? Was hat „dringender Tatverdacht“ zu bedeuten und wie läuft so ein Verfahren ab? Diese und weitere Fragen erklärt Ihnen im folgenden Experteninterview Mag. David Bernhofer, Strafrechtsexperte und Rechtsanwalt in Salzburg.
Ich habe in Wien an der katholischen Privatschule Schottengymnasium maturiert und habe in der Folge an der juridischen Fakultät in Salzburg das Studium der Rechtswissenschaften absolviert. Im Anschluss legte ich das Gerichtsjahr ab. Seit Anfang des Jahres 2015 bin ich in der Anwaltei tätig – zunächst als Rechtsanwaltsanwärter und anschließend als Rechtsanwalt. Im Jahr 2019 habe ich mit meinen jetzigen Kanzleipartnern Dr. Andreas Reischl und Mag. Michaela Schnöll unsere Anwaltssozietät, genannt RBS Rechtsanwälte OG, gegründet. Unser Kanzleisitz befindet sich in der Stadt Salzburg, ich selbst bin regelmäßig an verschiedensten Gerichten in ganz Österreich tätig.
Besonders das Strafrecht zählt seit jeher zu meinen juristischen Leidenschaften. Schon an der Universität habe ich meine Diplomarbeit zum Thema „Vernehmung des Beschuldigten im polizeilichen Ermittlungsverfahren“ dem Bereich des Strafrechts gewidmet. Durch meine ständige Tätigkeit am Gericht bzw. bei Behörden kann ich daher bereits auf ein beträchtliches Erfahrungsrepertoire zurückblicken.
Das Thema ist sehr umfangreich und kann dies dergestalt im Konkreten gar nicht festgelegt werden. Sehr häufig wird die Tatbegehungsgefahr als Haftgrund angenommen.
Als wesentlich zu wissen gilt: Nur bei Vorliegen eines Haftgrundes UND bei dringendem Tatverdacht kann bzw. muss die Untersuchungshaft verhängt werden.
Es wird bspw. befürchtet, dass der Beschuldigte Beweise vernichtet oder versteckt, Daten löscht und/oder Zeugen und Mitbeteiligte beeinflusst.
Es besteht die Gefahr, dass die Person weitere Straftaten begeht.
Wenn zu erwarten ist, dass der Beschuldigte sich verstecken oder gar flüchten und sich somit dem weiteren Strafverfahren entziehen würde.
Es kann auch vorkommen, dass zwei oder manchmal sogar alle Haftgründe gleichzeitig vorliegen.
Grundsätzlich kann die Untersuchungshaft – neben den bereits erwähnten Voraussetzungen – nur dann verhängt werden, wenn über die Tatfrage noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. In diesem Stadium geht es somit um potenzielle Straftäter, die noch nicht verurteilt wurden. Von Gesetzeswegen gilt daher auch immer die Unschuldsvermutung – ein Stichwort, welches aktuell besonders in der Politik Österreichs mitverfolgt werden kann.
Eine grundlegende Voraussetzung für die Verhängung der Untersuchungshaft ist der von Ihnen erwähnte sogenannte dringende Tatverdacht. Was heißt das explizit? Es bedeutet nichts anderes, als dass nach den bis dato zur Verfügung stehenden Beweisen in einem erheblichen Ausmaß nahe liegen muss, dass der Beschuldigte die Straftat begangen hat.
Wesentlich ist jedoch auch, dass die Untersuchungshaft dann nie verhängt werden soll, wenn sie außer Verhältnis der zu erwartenden Strafe steht. Nehmen wir als Beispiel ein Bagatelldelikt, welches Straftaten bezeichnet, die von geringer Bedeutung sind und oftmals eine milde Strafe zu erwarten haben. Ist die Verhängung der Untersuchungshaft wirklich verhältnismäßig? Wenn es völlig außer Verhältnis steht, darf die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden.
Als maßgeblich gilt, dass der Festgenommene binnen längstens 48 Stunden von einem Richter zu vernehmen ist. Hierbei ist der Beschuldigte bzw. Festgenommene über die im Raum stehenden Anschuldigungen genau zu informieren. Nach dieser ersten Einvernahme hat das Gericht sofort zu entscheiden, ob der Beschuldigte freigelassen wird oder ob die Untersuchungshaft verhängt wird und er in Haft bleiben muss.
Wie lange so eine Untersuchungshaft dauert, kann konkret nicht gesagt werden, dies ist vom Einzelfall abhängig. Wenn der Richter den Beschuldigten enthaftet, ist die Untersuchungshaft natürlich beendet. Während der aufrechten Untersuchungshaft müssen von Gesetzeswegen regelmäßig Haftverhandlungen stattfinden. Es ist also so, dass 14 Tage ab Verhängung der Untersuchungshaft die erste Haftverhandlung stattzufinden hat, einen weiteren Monat ab erstmaliger Fortsetzung wieder und weitere zwei Monate ab der letzten Fortsetzung erneut eine Haftverhandlung stattfinden muss.
Auch gibt es zu beachtende Höchstfristen. Geht es beispielsweise um Verdunkelungsgefahr, ist die Höchstdauer der Untersuchungshaft sogar nur 2 Monate, ansonsten ist der Beschuldigte sofort zu entlassen. Diese Haftfrist kann beispielsweise bei schweren Verbrechen, die mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, jedoch auch 2 Jahre lang gehen.
Mir ist es als Anwalt wichtig, meine Mandanten stets auch darüber aufzuklären, dass alle in solchen Strafverfahren beteiligten Behörden angehalten sind, so schnell wie möglich zu arbeiten. Es muss darauf hingewirkt werden, dass die Untersuchungshaft so kurz wie möglich dauert. Denn man darf nicht vergessen, dass die Person nicht rechtskräftig verurteilt wurde und daher noch nicht sicher ist, dass die Person die Straftat begangen hat. Insbesondere aus diesem Grund muss immer so schnell und effektiv wie möglich mit besonderer Beschleunigung gearbeitet werden. Sollte es hierbei Schwierigkeiten geben, bin ich als Anwalt mit Nachdruck dahinter, den Prozess voranzutreiben.
In der Haftverhandlung besteht Anwaltspflicht. Ich erachte es unabhängig davon als absolut zweckmäßig und unabkömmlich, einen Anwalt ab Einleitung des Ermittlungsverfahrens beizuziehen. Dies bereits aus dem Grund, dass ganz wesentliche Aspekte (Beweisaufnahmen etc.) im Strafverfahren bereits im Ermittlungsverfahren über die Bühne gehen. Schlussendlich sind dies dann nämlich genau jene Aspekte, die maßgeblich in die Entscheidung des Gerichtes am Ende des Strafverfahrens einfließen.
Der Beschuldigte macht eine Aussage, welche protokolliert wird und ganz wesentlich in die spätere gerichtliche Entscheidung einfließt. Es ist daher wichtig, dass zu diesem Zeitpunkt schon ein Rechtsanwalt beigezogen ist, der den Beschuldigten berät und unterstützt.
Festgenommen zu werden, ist eine Extremsituation. Ich empfehle, jedenfalls keine Gegenwehr zu leisten, denn das wirkt sich nur negativ aus. Am besten ist es, ruhig zu bleiben und darauf zu vertrauen, dass in der Folge sämtliche notwendigen Handlungen zur rechtlichen Verteidigung gesetzt werden. Der Beschuldigte hat das Recht zu schweigen und sofort einen Anwalt zu konsultieren.
„Im Falle einer Festnahme bleiben Sie bitte ruhig und leisten Sie keine Gegenwehr, denn das wirkt sich in weiterer Folge nie positiv aus. Rufen Sie sich hierbei bitte immer in Erinnerung: Es gibt auch eine Zeit nach diesem Moment der Festnahme!“
Zunächst erfährt man die Anschuldigungen, die im Raum stehen bzw. wird man zum Haftgrund vernommen. Bereits zu dieser Vernehmung ist dem Anwalt die Möglichkeit der Teilnahme einzuräumen. Wenn der Richter entscheidet, dass Haftgründe bestehen und eine Untersuchungshaft verhängt werden soll, hat der Anwalt des Beschuldigten bzw. der Beschuldigte die Möglichkeit, gegen diesen gerichtlichen Beschluss eine Beschwerde zu erheben. Das ist besonders dann sinnvoll, wenn die Entscheidung als unrechtmäßig bzw. fehlerhaft anzusehen ist.
Zusätzlich kann der Beschuldigte bzw. sein Anwalt, neben den bereits erwähnten ohnehin gesetzlich verpflichtenden Haftverhandlungen, einen Antrag auf Enthaftung stellen, beispielweise mit dem Vorbringen, dass neue Tatsachen vorliegen, die gegen eine weitere Inhaftierung sprechen. Auch besteht die Möglichkeit, die Anordnung von Hausarrest zu beantragen.
Für den Anwalt sowie den Beschuldigten ist es besonders ratsam, sämtliche entlastende Aspekte für die Haftverhandlung genauestens vorzubereiten. Überdies ist zu beachten, dass eine Enthaftung auch dann anzuordnen ist, wenn der Zweck der Untersuchungshaft durch sogenannte gelindere Mittel erreicht werden kann. Hierzu gibt es verschiedene Optionen, einige davon sind:
Wenn neue Tatsachen vorliegen, die gegen eine weitere Inhaftierung sprechen, kann ein Antrag auf Enthaftung gestellt werden. Sollte man daher der Meinung sein, dass es derartige Tatsachen gibt, die für eine Enthaftung sprechen, ist ein solcher Antrag naheliegend. Der Antrag ist mit guten bzw. stichhaltigen Argumenten zu begründen.
Der persönliche (empathische) Kontakt ist das Herzstück einer guten Rechtsberatung und -betreuung. Als Anwalt ist es mir stets ein Anliegen, die Person zunächst kennenzulernen und mit ihr unter vier Augen zu sprechen und mir so über den Sachverhalt ein Bild machen zu können. Die emotionale Komponente spielt hier auch eine wesentliche Rolle.
Im nächsten Schritt kläre ich den Betroffenen über all seine Rechte und Möglichkeiten auf, aber auch über den Ablauf des Verfahrens. Genauso wichtig ist es, den Betroffenen die Angst zu nehmen, besonders weil sich dieser in einer Extremsituation befindet. Eine gewisse mentale Hilfe, die vom Anwalt ausgehen kann, ist ein Grundpfeiler für die weitere Betreuung.
Natürlich bespricht man dann auch die weitere Vorgehensweise, die rechtlichen Möglichkeiten, etc. Letztendlich läuft das Prozedere im Groben auf zwei Ziele hinaus: Einerseits die Situation schnellstmöglich aufzuklären bzw. falls aussichtsreich eine Enthaftung herbeizuführen und andererseits die Vorwürfe zu entkräften, sodass es zu keiner gerichtlichen Verurteilung kommt. Im Falle einer geständigen Verantwortung liegt das Ziel darin, das Strafmaß möglichst gering zu halten.
Vielen Dank für das Interview!
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Interview die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter.
Wurden Sie festgenommen, stellt dies nicht nur eine besondere Belastung dar, sondern darf auch die Situation nicht leichtfertig unterschätzt werden. Im Falle einer Festnahme ist es daher besonders wichtig, Ruhe zu bewahren und auf Ihr Recht zu bestehen, einen Anwalt Ihres Vertrauens zu kontaktieren. Strafrechtsexperte Mag. David Bernhofer steht engagiert an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Sie über Ihre Rechte und Möglichkeiten aufzuklären und Ihre Rechte durchzusetzen. Mehr Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. David Bernhofer auf anwaltfinden.at sowie auf der Website www.r-b-s.at.
Das gesamte Team der Kanzlei zeichnet sich durch außergewöhnliche Freundlichkeit, [...]
Wenn Sie dieses YouTube/Vimeo Video ansehen möchten, wird Ihre IP-Adresse an Vimeo gesendet. Es ist möglich, dass Vimeo Ihren Zugriff für Analysezwecke speichert.
Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung