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Die Hinzu- und Anrechnung im Pflichtteilsrecht: Was Sie über Schenkungen in Hinblick auf den Pflichtteil wissen sollten

Mag. David Stockhammer Anwalt im Interview

Ein Erblasser hat das Recht, sein Vermögen zu Lebzeiten zu verschenken. Wird nun ein Pflichtteilsberechtigter beschenkt, so bleiben diese Schenkungen unbefristet anrechenbar. Wird hingegen ein nicht Pflichtteilsberechtigter beschenkt, erfolgt die Anrechnung nur, wenn die Schenkung innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod des Erblassers gemacht wurde. Was Sie nun bei der Anrechnung auf den Pflichtteil beachten sollten, erklärt Ihnen Erbrechtsanwalt Mag. David Stockhammer im folgenden Interview.

anwaltfinden.at: Herr Mag. Stockhammer, möchten Sie sich unseren Usern kurz vorstellen?

Ich bin seit vielen Jahren begeisterter Rechtsanwalt. Meine Tätigkeitsschwerpunkte liegen vor allem in der umfassenden Beratung bei der Durchsetzung und Abwehr von erbrechtlichen Ansprüchen, der Planung der Vermögensnachfolge, sowie der Errichtung und laufenden Betreuung von Privatstiftungen und den dahinter stehenden Stifterfamilien.

Nach meinem Berufsverständnis ist der Rechtsanwalt nicht nur ein spezialisierter Rechtsexperte, sondern der umfassend beratende Partner, etwa bei strategischen Entscheidungen, der bereit ist, sein Fachwissen, seine Erfahrungen und seine Persönlichkeit in vollem Umfang einzubringen.

 

anwaltfinden.at: Sehen Sie im An- bzw. Hinzurechnungsrecht im Erbrecht noch Änderungsbedarf?

Die Anrechnungsfrage stellt sich vorrangig im Pflichtteilsrecht. Hier müsste man meines Erachtens auch ansetzen. Pflichtteilsrecht bedeutet, dass der Gesetzgeber einem bestimmten Personenkreis, nämlich den Nachkommen, dem Ehegatte und dem eingetragene Partner, die Möglichkeit einräumt, auf jeden Fall etwas aus der Verlassenschaft zu erhalten, auch wenn der Verstorbene testamentarisch jemand anderen als Erben eingesetzt hat. Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen und der Ehegatte oder eingetragene Partner. Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Das Pflichtteilsrecht führt also zu einer empfindlichen und letztlich nicht gerechtfertigten Einschränkung der Testierfreiheit. Der Erblasser wird in der Möglichkeit frei über sein eigenes Vermögen zu verfügen massiv eingeschränkt. Eine breite rechtspolitische Diskussion zu dieser gesetzlichen Bevormundung wäre angebracht und wünschenswert.

Würde man den Pflichtteil generell reduzieren, würde der Frage der An- und Hinzurechnung eine weniger bedeutsame Rolle zukommen und sich die Frage nach einem konkreten Änderungsbedarf gar nicht so sehr aufdrängen.

 

anwaltfinden.at: Wozu würden Sie Klienten raten, wenn es um die Anrechnung auf den Pflichtteil geht? (Stolpersteine etc.)

In der erbrechtlichen Praxis ist zu beobachten, dass das Pflichtteilsrecht und die damit verbundenen An- und Hinzurechnungen bei Schenkungen unter Lebenden oftmals außer Acht gelassen werden. Tatsächlich sind bei jeder Schenkung im Familienkreis die Fragen des Pflichtteilsrechts und vor allem der Hinzu- und Anrechnung hinreichend abzuklären.

Werden allfällige Pflichtteilsansprüche nämlich nicht (korrekt) berücksichtigt, kann dies nach dem Tod des Erblassers zu unerwünschten Ergebnissen führen; selbst gegen ausdrückliche Anordnungen im Testament. Zur Vermeidung künftiger Streitigkeiten über die Vermögensaufteilung empfiehlt sich nach Möglichkeit schon zu Lebzeiten unbedingte oder bedingte Erb- und Pflichtteilsverzichte einzuholen, mit denen zumindest die Bewertung der den einzelnen Erben zugewendeten Vermögenswerte „außer Streit“ gestellt und bindend festgelegt wird.

 

anwaltfinden.at: Wir möchten mit Ihnen heute über die An- bzw. Hinzurechnung beim Pflichtteil sprechen. Was versteht man darunter?

Damit Pflichtteilsberechtigte in ihren Rechten nicht geschmälert werden, sind Schenkungen des Verstorbenen so zu behandeln, als wären sie noch Teil des Nachlasses („Hinzurechnung“). Das vergrößert die Summe, aus der sich auch der Pflichtteil errechnet. Bei Pflichtteilsberechtigten wird der Wert der empfangenen Schenkung auch auf deren Pflichtteil „angerechnet“, also von diesem abgezogen.

 

anwaltfinden.at: Gibt es bei der Anrechnung gewisse Fristen, die beachtet werden sollten & wann gilt die Hinzurechnung als unbefristet?

Schenkungen an nicht Pflichtteilsberechtigte unterliegen einer Zweijahresfrist. Liegt die Schenkung mehr als zwei Jahre seit dem Tod des Verstorbenen zurück, erfolgt keine Anrechnung. Für den Beginn dieser Frist ist der Zeitpunkt maßgeblich in welchem die Schenkung im Sinne der Vermögensopfertheorie „wirklich gemacht“ wurde.  Dies ist dann der Fall, wenn sich der Geschenkgeber hinsichtlich des Schenkungsobjektes endgültig seiner Rechte begeben hat.  

Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte sind hingegen unbefristet anzurechnen. Zuletzt war strittig, ob für die Möglichkeit zur unbefristeten Hinzurechnung die abstrakte Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt der Schenkung, im Todeszeitpunkt oder in beiden Zeitpunkten vorliegen muss. Der OGH entschied sich mit der jüngst zu 2 Ob 195/19v mit ausführlicher Begründung für die letzte Variante.

 

anwaltfinden.at: Wie wird eine Anrechnung durchgeführt bzw. wie ist hier die Berechnungsmethode? Könnten Sie uns hierbei ein kurzes Beispiel nennen?

Der Verstorbene hinterlässt ein Vermögen von € 1. Mio. Er hinterlässt zwei Kinder, nach der gesetzlichen Erbfolge hätten die Kinder jeweils Anspruch auf die Hälfte des Vermögens. Ihr Pflichtteil beträgt die Hälfte davon, also jeweils ein Viertel.

Seinem ersten Kind hat der Verstorbene zu Lebzeiten eine Wohnung im Wert von € 200.000 geschenkt. Das zweite Kind des Verstorbenen kann die Hinzu- und Anrechnung dieser Schenkung verlangen. Dazu werden die € 200.000 dem (reinen) Nachlass hinzugerechnet. Daraus ergibt sich eine neue Bemessungsgrundlage von 1,5 Mio. Davon sind nun die Pflichtteile zu ermitteln. Es ergibt sich grundsätzlich ein Pflichtteilsanspruch von je € 300.000 (1/4 von € 1,2 Mio.).  Von diesem Betrag muss sich das erste Kind die Schenkung abziehen lassen, dies ergibt für das erste Kind einen Pflichtteil in Höhe von € 100.000,- .

 

anwaltfinden.at: Gibt es bei Schenkungen besondere Ausnahmen, die keiner Anrechnung unterliegen?

Von der An- und Hinzurechnung sind Schenkungen, die das Stammvermögen des Geschenkgebers nicht geschmälert haben, sowie Schenkungen aus sittlicher Pflicht und für gemeinnützigen Zwecke ausgenommen.

 

anwaltfinden.at: Kann eine An- und Hinzurechnung durch einen Pflichtteilsverzicht ausgeschlossen werden?

Pflichtteilsansprüche und damit auch die An- und Hinzurechnung sind als zwingende Regelungen ausgestaltet, sodass sie grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden können. Richtig ist, dass ein Erbe aber auf einen Teil des Nachlasses oder auf den Pflichtteil verzichten kann. Der Pflichtteilsverzicht hat einen besonderen Stellenwert, da damit die verzichtende Person bei der Verteilung des Nachlasses nicht berücksichtigt werden muss und die Dispositionsbefugnis des Erblassers um den entsprechenden Nachlassteil oftmals erweitert wird. Aufgrund dieser erweiterten Dispositionsbefugnis kann das Vermögen des Erblassers etwa  an eine bestimmte Person werden,  ohne dass die anderen potentiellen Pflichtteilsberechtigten im Erbfall finanziell „ausgeglichen“ werden müssen.  

Oftmals werden Pflichtteilsverzichte auch zur Umgehung von Pflichtteilsansprüchen weiterer Pflichtteilsberechtigter geschlossen:  Verzichtet ein pflichtteilsberechtigter Geschenknehmer auf seinen Pflichtteil, ist er zum Zeitpunkt des Erbanfalls nicht mehr pflichtteilsberechtigt. Dies schließt die fristenlose Anrechnung einer Schenkung grundsätzlich aus, was die weiteren Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich benachteiligt. Hier gilt es Folgendes zu beachten: Das Zivilrecht lässt Verträge zulasten Dritter nicht zu. Ein Pflichtteilsverzicht sollte daher – unter Zugrundelegung allgemein zivilrechtlicher Wertungen – zu keiner Verkürzung von (zwingenden) Pflichtteilsansprüchen führen.

 

anwaltfinden.at: Wie können Sie, als Rechtsexperte im Erbrecht, bei der An- und Hinzurechnung auf den Pflichtteil helfen?

Wesentlich ist die rechtzeitige und umsichtige Planung der Vermögensübergabe und -nachfolge zu Lebzeiten. Diese hat große Bedeutung für den Erhalt des weiterzugebenden Vermögens. Die Aspekte, die bei der Vermögensweitergabe regelmäßig zu berücksichtigen sind, sind – wie vor allem auch die pflichtteilsrechtliche An- und Hinzurechnungsthematik zeigt – vielfältig.

Für die konkrete Umsetzung der Vermögensübergabe ist daher – neben dem Willen und Mut eine klare Regelung zu treffen – eine Menge Fachwissen und ein hohes Maß an persönlichem Einfühlungsvermögen gefragt. Die Komplexität der Sachmaterie und die regelmäßig flankierenden Fragestellungen (Immobilienrecht, Kunstrecht, Steuerrecht etc.), verlangen umfassende und nachhaltige Gestaltungsvarianten sowie eine vorausschauende Planung. Genau hier kann ich meinen Mandanten helfen. 

 

„Höchstmöglicher Einsatz & vertrauensvolle Lösungen biete ich Ihnen in Ihrer erbrechtlichen Angelegenheit“, Rechtsanwalt Mag. David Stockhammer 

Erb- und verlassenschaftsrechtliche Themen sowie die Vermögensübergabe und -nachfolge bergen oftmals komplexe und nicht immer leicht zu durchschauende Problematiken. Daher ist es besonders im Erbrecht hilfreich, einen fachkompetenten Rechtsanwalt an seiner Seite zu wissen. Erbrechtsexperte Mag. David Stockhammer steht Ihnen vom Erstgespräch zu Ihrem individuellen Anliegen bis hin zur laufenden Beratung und Vertretung verlässlich zur Seite. Mehr Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. David Stockhammer auf anwaltfinden.at.     

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