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Der Pflichtteilsverzichtsvertrag – wie wird er richtig aufgesetzt und was ist zu beachten?

Mag. Gerlinde Murko-Modre Erbrecht Kanzlei Klagenfurt

Das Pflichtteilsrecht in Österreich stellt sicher, dass ein bestimmter Personenkreis auf jeden Fall Anspruch auf einen Teil der Verlassenschaft des Erblassers hat. Sollten pflichtteilsberechtigte Personen zu Lebzeiten auf den gesetzlich zustehenden Pflichtteil verzichten, benötigen sie hierfür einen Vertrag. Wann ein solcher Pflichtteilsverzichtsvertrag sinnvoll ist und worauf bei der Errichtung zu achten ist, beantwortet Ihnen Mag. Gerlinde Murko, Rechtsanwältin und Expertin im Erbrecht. 

anwaltfinden.at: Frau Mag. Murko, möchten Sie sich unseren Usern kurz vorstellen?

Ich bin seit über zwölf Jahren Rechtsanwältin in Klagenfurt und seit zehn Jahren Partnerin der Rechtsanwaltssozietät Dr. Murko – Mag. Bauer – Mag. Murko – Mag. Klatzer. Unsere Kanzlei berät Privatpersonen und Unternehmen umfassend. Bei meinem Tätigkeitsbereich haben sich im Laufe der Jahre Schwerpunkte im Erbrecht, Vertragsrecht, Familienrecht, aber auch im Miet- und Wohnungseigentumsrecht, sowie im Arbeitsrecht herausgebildet.

 

anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem als Rechtsanwältin im Erbrecht tätig – mit welchen Anliegen und Problemen kommen Mandanten tagtäglich zu Ihnen?

Die Fragestellungen meiner Klienten reichen von der Testamentserrichtung über Übergabsverträge, Pflichtteilsverzichtsverträge, Schenkungsverträge auf den Todesfall bis hin zu Fragen im Zusammenhang mit Schenkungsanrechnungen im Erb- und Pflichtteilsrecht, Vertretungen in Verlassenschaftsverfahren, die Führung von Pflichtteilsklagen oder die Anfechtung von Testamenten.

Gerade jetzt berate ich Klienten im Zusammenhang mit verschwundenen Sparbüchern im Verlassenschaftsverfahren nach der verstorbenen Mutter.

 

anwaltfinden.at: Was ist ein Pflichtteilsverzichtsvertrag und wann wird er benötigt?

Pflichtteilsansprüche haben grundsätzlich die Nachkommen und der Ehegatte eines Verstorbenen. Diese Pflichtteilberechtigten müssen nach dem Verstorbenen jedenfalls die Hälfte dessen erhalten, was ihnen nach der gesetzlichen Erbfolge zustünde.

Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag ist eine Vereinbarung, die den zukünftigen Erblasser von seiner Verpflichtung befreit, pflichtteilsberechtigte Personen in seinem Testament letztwillig zu bedenken. Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag ermöglicht es den Klienten somit bereits zu Lebzeiten testamentarisch frei über das gesamte Vermögen zu verfügen, ohne Beschränkungen durch Pflichtteilsansprüche.

Die potenziell Pflichtteilsberechtigten können vertraglich auf ihnen zustehende Pflichtteils- und/oder Pflichtteilsergänzungsansprüche verzichten. Pflichtteilsverzichte werden zumeist dann benötigt, wenn schon zu Lebzeiten geordnete Nachlassregelungen vorgenommen werden und insbesondere der jeweils überlebende Ehegatte abgesichert und geschützt werden soll.

 

anwaltfinden.at: Was ist der Unterschied zwischen Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht? Sollte man nicht schon vorab auf den Pflichtteil verzichten – wann verjährt der Anspruch auf diesen?  

Bei einem Pflichtteilsverzicht verzichtet man ausschließlich auf den Pflichtteil, nicht aber auf das gesetzliche Erbrecht. Bei einem Erbverzicht verzichtet man hingegen sowohl auf das gesetzliche Erbrecht als auch auf den Pflichtteil.

Es ist grundsätzlich so, dass der Pflichtteilsanspruch (= ein reiner Geldanspruch) nach dem Tod des Erblassers gegen den Erben geltend gemacht werden muss, die Geldzahlungspflicht des Erben ist allerdings auf ein Jahr aufgeschoben.

Der Pflichtteilsanspruch verjährt innerhalb von drei Jahren nach Kenntnis der für das Bestehen maßgeblichen Umstände. Die absolute Verjährungsfrist beträgt dreißig Jahre.

 

anwaltfinden.at: Neben dem Pflichtteilsverzicht gibt es auch die Möglichkeit der Minderung des Pflichtteils – wann ist eine solche möglich?

Eine Minderung des Pflichtteils ist dann möglich, wenn der Erblasser über einen längeren Zeitraum vor seinem Tod – die Judikatur spricht von einem Zeitraum von 15 bis 20 Jahren – keinen Kontakt zu einem pflichtteilsberechtigten Kind gehabt hat, wie das in einer familienrechtlichen Eltern-Kind-Beziehung gewöhnlich besteht.. In einem solchen Fall kann der Erblasser den Pflichtteil des Kindes in seiner letztwilligen Verfügung auf die Hälfte mindern.

Ein Beispiel: Die Eltern haben sich getrennt, der Vater zahlt ausschließlich Unterhalt für sein Kind, hat dieses aber nie kennengelernt. Er gründet eine neue Familie und bekommt weitere Kinder. Bei der Erstellung seines Testaments fällt ihm ein, dass er noch ein anderes Kind hat, das er aber nicht kennt, von dem er eigentlich nichts weiß und das sich auch nicht um ihn bemüht hat. Das wäre der klassische Fall zu sagen, hier hat nie eine Beziehung bestanden, wie sie normalerweise zwischen Eltern und Kinder üblich ist, weshalb eine Pflichtteilsminderung auf die Hälfte möglich ist.

 

anwaltfinden.at: Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Gründe für einen Pflichtteilsverzicht und welche Folgen hat ein Verzicht auf den Pflichtteil?

Ein wirksamer Verzicht auf den Pflichtteil bedeutet, dass der Verzichtende im Fall des Todes des Elternteils bzw. des Ehegatten, gegenüber dem er verzichtet hat, keine Pflichtteilsansprüche gegen den/die Erben geltend machen kann.

Da der Pflichtteilsanspruch ein reiner Geldanspruch ist, wird die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichtes zwischen Eltern und Kindern zu Lebzeiten häufig deswegen abgeschlossen, um den jeweils überlebenden Elternteil vor hohen Geldforderungen zu schützen.

In diesem Zusammenhang ist besonders zu erwähnen, dass zwar volljährige Kinder auch noch im Verlassenschaftsverfahren beispielsweise zu Gunsten der überlebenden Mutter sehr wohl auf ihren Pflichtteil verzichten können, nicht jedoch für den Fall, dass Kinder vorversterben, weil in diesem Fall die minderjährigen Enkel an ihre Stelle treten. Minderjährige können aber niemals auf Pflichtteilsansprüche verzichten, was zu erheblichen Geldzahlungen führen kann, die noch dazu mündelsicher unter Aufsicht des Pflegschaftsgerichtes angelegt werden müssen.

Daher wird ein Pflichtteilsverzicht auch immer mit Wirkung für sich und seine Nachkommen abgegeben.

 

anwaltfinden.at: Was muss ein Pflichtteilsverzichtsvertrag alles enthalten? Welche Mindestangaben sind erforderlich?

Neben den Namen, den Geburtsdaten und den Wohnanschriften der beteiligten Vertragsparteien muss ein Pflichtteilsverzichtsvertrag neben der klaren Formulierung, worauf unter welchen Bedingungen verzichtet wird, auch die Annahme dieser Verzichtserklärung durch den Verzichtsempfänger enthalten.

 

anwaltfinden.at: Wer muss den Pflichtteilsverzichtsvertrag unterschreiben bzw. wie wird er rechtswirksam abgeschlossen?

Die Rechtswirksamkeit eines Pflichtteilsverzichtsvertrages ist von seiner Errichtung in Notariatsaktsform abhängig. Ich bereite nach ausführlichen Gesprächen mit den Klienten, das heißt, mit den Eltern und mit den Kindern, die Vertragsurkunde vor, überlasse diese zur Vorabdurchsicht allen beteiligten Vertragsparteien und vereinbare sodann einen gemeinsamen Unterfertigungstermin in meiner Kanzlei, zu welchem ich einen Notar, der den Notariatsakt beurkundet, beiziehe.

 

anwaltfinden.at: Fallstricke bei einem Pflichtteilsverzicht – was bleibt oftmals unbeachtet?

Der Abschluss eines Pflichtteilsverzichtes ist vor allem bei lebzeitigen Übergaben von Liegenschaften ratsam. Übergeben Eltern zu Lebzeiten eine Liegenschaft einem Kind, und vergessen in diesem Zusammenhang mit den anderen Kindern einen Pflichtteilsverzichtsvertrag abzuschließen, können die nicht bedachten Kinder im Ablebensfall der Eltern Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen und die Hinzurechnung der zu Lebzeiten übergebenen Liegenschaft zum Vermögen der Verlassenschaft beantragen.

Ist in der Verlassenschaft weniger vorhanden als sich nach der Hinzurechnung der übergebenen Liegenschaft an Pflichtteilsanspruch errechnet, muss das beschenkte Kind den Fehlbetrag zahlen. Durch den Pflichtteilsverzichtsvertrag mit den nicht bedachten Kindern würde in diesem Fall das Kind, an das die Liegenschaft übergeben wurde, abgesichert.

 

anwaltfinden.at: Kann ein Pflichtteilsverzichtsvertrag aufgehoben werden?

Die Aufhebung eines Pflichtteilsverzichtsvertrages ist grundsätzlich möglich, jedoch ist die gleiche Form wie bei der Errichtung einzuhalten, sohin müssen alle Vertragsparteien gemeinsam die Aufhebungsurkunde in Notariatsaktsform unterfertigen.

 

anwaltfinden.at: Wie kann Ihnen ein Anwalt für Erb- bzw. Vertragsrecht bei der Errichtung eines Pflichtteilsverzichtsvertrages helfen?

In unserer Rechtsanwaltskanzlei versuchen wir unsere Klienten, die ihren Nachlass zu Lebzeiten regeln wollen, um Streitigkeiten der Hinterbliebenen hintan zu halten, umfassend zu unterstützen. Dazu ist einerseits die familiäre Situation zu erörtern, natürlich auch die vermögensrechtliche Situation und insbesondere die Wünsche und Vorstellungen des Klienten. Oftmals sind Übergaben von Liegenschaften zu Lebzeiten nicht sinnvoll.

Zu berücksichtigen ist auch immer, ob es Kinder aus vorangegangenen Beziehungen gibt, die berücksichtigt werden müssen. Gerade in solchen Fällen sind Pflichtteilsentfertigungen und Pflichtteilsverzichtsverträge häufig anzuraten.

 

Danke, dass Sie sich für das Interview Zeit genommen haben

 

Ich stehe Ihnen in allen Anliegen des Erbrechtes zur Seite – Mag. Gerlinde Murko

 

Sie möchten einen Pflichtteilsverzichtsvertrag errichten und benötigen hierbei rechtliche Unterstützung oder haben weitere Fragen bezüglich des Pflichtteils- bzw. Erbrechtes? Wenden Sie sich vertrauensvoll an Rechtsanwältin und Expertin im Erbrecht, Mag. Gerlinde Murko. Für ein aufschlussreiches Erstberatungsgespräch kontaktieren Sie die Anwaltskanzlei in 9020 Klagenfurt. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. Gerlinde Murko auf anwaltfinden.at.

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