Idealerweise hat man viel Zeit, um über die Nachlassplanung und das eigene Testament nachzudenken. In der Praxis kann es jedoch auch anders ablaufen: Befindet sich ein Mensch aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls plötzlich in Lebensgefahr, kann er ein Nottestament abschließen. Wie man ein Nottestament erstellt, wie lange es gültig ist und zu welchen Hindernissen es kommen kann, wenn es angefochten wird, erklärt Erbrechtsexperte und Rechtsanwalt Mag. Jürgen Brandstätter im Interview.
Nach Abschluss des Jusstudiums und Absolvierung der neunmonatigen Gerichtspraxis bin ich 2004 in die Rechtsanwaltskanzlei Lukesch Hintermeier & Partner als Rechtsanwaltsanwärter eingetreten. Seit 2010 bin ich selbstständiger Rechtsanwalt und Partner der Hintermeier Brandstätter Engelbrecht Rechtsanwälte OG in St. Pölten.
Meine Spezialgebiete beinhalten unter anderem das allgemeine Zivilrecht, das Liegenschaftsrecht und Scheidungsrecht. Zu meinen Interessensgebieten, in denen ich mich verstärkt engagiere, zähle ich auch das Erbrecht. Der Zugang unserer Kanzlei ist jedoch, dass wir Anwälte nicht nur in eingeschränkten Rechtsgebieten tätig sind. So können wir zu Mandanten ein Vertrauensverhältnis aufbauen und sie bei verschiedenen Rechtsproblemen betreuen.
Die Tätigkeit als Rechtsanwalt in verschiedenen Bereichen des Zivilrechtes wie z.B. Liegenschaftsrecht, Scheidungsrecht und Schadenersatzrecht ist in rechtlicher, nicht zuletzt aber auch in menschlicher Hinsicht interessant. Dies gilt besonders für das Erbrecht.
Erben und Vererben war für die Menschen immer schon ein zentrales Thema. Schließlich geht es oft um die Zuwendung erheblicher Vermögenswerte wie Liegenschaften, Wertpapiere oder Firmenanteile. Ob dann z.B. ein Testament den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, überhaupt gültig ist oder gesetzliche Erben zu Unrecht benachteiligt werden, weil etwa schon zu Lebzeiten die meisten Vermögenswerte verschenkt werden, kann zu interessanten Rechtsfragen führen. Mitunter ist es auch notwendig, nachzuforschen, um einen Sachverhalt festzustellen.
Grundsätzlich muss ein schriftliches Testament vom Erblasser eigenhändig verfasst und unterschrieben werden. Es kann auch fremdhändig verfasst und mit der Unterschrift dreier Zeugen samt handschriftlichem Zusatz, der auf die Zeugeneigenschaft hinweist, versehen und in Anwesenheit dieser Zeugen vom Erblasser unterschrieben werden. Der Erblasser muss in diesem Fall in einem handschriftlichem Zusatz hinzufügen, dass diese Urkunde sein letzter Wille ist und den Zeugen dies auch mitteilen.
Das Nottestament dagegen kann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, in mündlicher Form oder fremdhändig vor nur zwei Zeugen erklärt werden.
Aus Sicht des Erblassers muss unmittelbar drohende Todesgefahr vorliegen oder der Verlust der Testierfähigkeit drohen. Dies kann beispielsweise bei einer schweren Krankheit, die sich überraschend verschlimmert, oder bei einem Unfall beim Bergsteigen der Fall sein. In dieser Situation darf es nicht mehr möglich sein, den letzten Willen in ordentlicher Testamentsform zu erklären. Wenn z.B. der Erblasser ein Testament noch handschriftlich errichten oder einen Notar zu sich rufen könnte, ist ein Nottestament nicht zulässig.
Eine Gültigkeitsvoraussetzung ist neben der Todesgefahr oder dem drohenden Verlust der Testierfähigkeit die mündliche Erklärung des letzten Willens vor zwei Zeugen. Das geschieht, wenn die Betreffenden selbst nicht mehr unterschreiben können. Auch ist es möglich, dass der Erblasser ein von einer anderen Person verfasstes Testament eigenhändig unterfertigt und einen Zusatz anbringt, in dem er erklärt, dass diese Erklärung sein letzter Wille ist. Notwendig sind hier die Unterschriften der Zeugen samt dem vom jeweiligen Zeugen beigefügten handschriftlichen Zusatz, als Zeuge zu unterschreiben. Ferner müssen die Zeugen identifizierbar sein.
Der Inhalt des mündlichen Nottestaments muss nach dem Tod des Erblassers durch die übereinstimmende Aussage der Testamentszeugen bestätigt werden.
Das Nottestament kommt nicht sehr häufig vor. Der Begriff ist bekannt, aber die Menschen kennen die recht umfangreichen Voraussetzungen nicht genau. Wegen dieser Unsicherheiten bemüht man sich daher meist, einen Notar zu rufen.
Ein Nottestament verliert seine Gültigkeit drei Monate nach Wegfall der Gefahr.
Mit einem gültigen Nottestament kann ein bereits bestehendes Testament widerrufen werden.
Fällt die Gültigkeit des Nottestaments weg, wird auch der Widerruf eines früheren Testaments ungültig und dieses lebt wieder auf.
Ein Nottestament kann angefochten werden, wenn Zweifel an dessen Gültigkeitsvoraussetzungen vorliegen oder beispielsweise Hinweise darauf bestehen, dass der Erblasser bereits testierunfähig war, z.B. infolge einer zu weit fortgeschrittenen Demenzerkrankung.
Es gibt sowohl beim normalen Testament als auch beim Nottestament strenge Voraussetzungen, da man mit der Erbschaft durch den Fleiß der Vorfahren oftmals zu viel Vermögen kommt – oder eben nicht. Oft wird es als ungerecht empfunden, wenn jemand anderes bedacht wird. Dadurch entstehen – berechtigte oder nicht berechtigte – Vermutungen, dass jemand dem Erblasser etwas eingeredet hätte und das Testament so nicht stimmen könne oder ungültig sei. Werden durch ein Nottestament Personen benachteiligt, weil z.B. ein früheres Testament widerrufen wird oder gesetzliche Erben nur den Pflichtteil erhalten sollen, kann es zur Anfechtung des Nottestaments kommen. Es muss dann vor Gericht geklärt werden, ob tatsächlich sämtliche Gültigkeitsvoraussetzungen, also z.B. die behauptete Gefahrensituation, vorliegen.
Oft ist schwer abzuschätzen, ob ein Nottestament möglich ist. Wenn sich die Gesundheit verschlechterte, aber etwa beweisbar ist, dass es noch Zeit gab, einen Notar zu rufen oder ein ordentliches Testament zu errichten, ist das Nottestament ungültig. Außerdem bedeutet beispielsweise eine beginnende Demenz noch nicht in jedem Fall drohende Testierunfähigkeit. Ist jemand aber bereits testierunfähig, ist auch das Nottestament ungültig.
Verschlimmert sich eine Erkrankung und der Arzt ist der Meinung, dass die Gefahr besteht, dass die Person sofort sterben könnte, ist ein Nottestament angezeigt. Parallel dazu sollte man aber auch noch einen Notar rufen.
Zunächst sollte versucht werden, ein gültiges fremdhändiges oder notarielles Testament zu errichten. Wenn dies nicht möglich ist, kann ein Nottestament errichtet werden. Halten Sie auf jeden Fall die Identität der anwesenden Zeugen fest. Die Zeugen sollten den Inhalt des Testaments für sich selbst schriftlich festhalten, da das mündliche Nottestament nach dem Ableben des Erblassers nur bei übereinstimmenden Aussagen der Zeugen über den Inhalt der letztwilligen Verfügung gültig ist. Sollte sich der Zustand des Kranken wieder bessern, ist die unverzügliche Errichtung eines fremdhändigen oder eigenhändigen Testaments zu empfehlen, weil das Nottestament drei Monate nach Wegfall der Lebensgefahr oder Gefahr für die Testierfähigkeit seine Gültigkeit verliert.
Ratsam ist auch die Einholung einer ärztlichen Bestätigung über die Testierfähigkeit des Erblassers. Mitunter kann man auch Jahre nach dem Tod ein Gutachten erstatten, wenn der Fall medizinisch genau dokumentiert wurde. Ein Beispiel aus meiner Praxis, das ich selbst nicht für möglich gehalten hatte: Acht Jahre nach dem Ableben einer Person wurde das Testament angefochten. Obwohl selbst dem Notar bei der Testamentserrichtung nichts aufgefallen war, wies ein Gutachten dann aber nach, dass die Person, die testiert hat, wegen einer Demenz nicht mehr testierfähig war.
Zunächst müssen Informationen über den tatsächlichen Ablauf bei der Errichtung des Nottestaments, insbesondere zur Gefahrensituation oder Krankheit des Erblassers eingeholt werden und in einem gerichtlichen Verfahren Zeugen beantragt werden. Neben der Prüfung der formalen Gültigkeitsvoraussetzungen des Nottestaments wäre auch die Testierfähigkeit bzw. der Gesundheitszustand des Erblassers bei Testamentserrichtung durch Einholung eines medizinischen Gutachtens zu beurteilen. Die Zeugen des Nottestaments sind in der dafür gesetzlich vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung genau zum Ablauf der Errichtung und zum Inhalt des Nottestaments zu befragen.
Wenn eine Rechtsschutzversicherung vorhanden ist, sollte vor Einleitung eines Rechtsstreites unbedingt die Frage der Kostendeckung geklärt werden.
Nicht nur mit Nottestamenten, sondern auch mit gewöhnlichen Testamenten und Erbverträgen kennt sich Mag. Jürgen Brandstätter bestens aus. Auch unterstützt der Erbrechtsexperte und Rechtsanwalt Sie durch Vertretung in Verlassenschaftsverfahren und setzt Ihr Erbrecht wenn nötig vor Gericht durch. Für ein Erstberatungsgespräch kontaktieren Sie die Anwaltskanzlei in 3100 St. Pölten. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. Jürgen Brandstätter auf anwaltfinden.at.
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