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Hof- und Betriebsübernahme im Todesfall: Was gilt es zu beachten?

Rechtsstatue

Wer soll den Hof übernehmen? Was wird eigentlich vom Gesetz geregelt? Wie kann ich zukünftige Streitigkeiten zwischen den Nachkommen vermeiden? Diesen und noch mehr Fragen widmet sich Erbrechtsexperte Dr. Robert Heitzmann im Gespräch. Denn Hof- und Betriebsübernahmen im Todesfall können belastend und aufreibend sein. Was es dabei zu beachten gilt, erfahren Sie im Interview.

anwaltfinden.at: Herr Dr. Heitzmann, bitte stellen Sie sich und Ihren Werdegang unseren Usern vor.

Mein Name ist Robert Heizmann und ich führe meine Anwaltskanzlei in Innsbruck. Im Jahr 1999 erhielt ich meine Sponsion zum Magister der Rechtswissenschaften an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck. Im Anschluss absolvierte ich ein einjähriges Masterstudium mit dem Schwerpunkt Europarecht an der University of Essex in Colchester in Großbritannien. Dort bekam ich den Titel „Master of Law (European Community Law, LL.M.)” verliehen und absolvierte wieder in Innsbruck das Doktoratsstudium. Nachdem ich 2003 meine Gerichtspraxis an verschiedenen Gerichten in Tirol verrichtet habe, trat ich der 1969 gegründeten Rechtsanwaltskanzlei meines Vaters Dr. Bernhard Heitzmann bei.

 

anwaltfinden.at: Woher stammt Ihr Interesse für das Erbrecht und was macht es für Sie so besonders?

Mein Vater war ca. 50 Jahre als Rechtsanwalt tätig. Ein Schwerpunkt lag in der langjährigen Betreuung von Familien und deren Betrieben. Er hat regelmäßig Generationenwechsel durch Übergaben (unter Lebenden) oder Erbschaften betreut. Dadurch habe ich bereits seit meiner Jugend das Feld hautnah miterlebt und ihn nach meinem Studienabschluss unterstützt.

 

anwaltfinden.at: Das Erbrecht ist ein überaus sensibles Rechtsgebiet. Worauf legen Sie bei der Behandlung Ihrer Fälle ein besonders großes Augenmerk?

Die Erforschung der individuellen Wünsche und Werte eines Erblassers bzw. der familiären Situation sind für mich von besonders großer Wichtigkeit. Erbschaften sind letzten Endes Schenkungen, ausgelöst durch den Tod.  Zu Lebzeiten besteht für einen Erblasser meist noch mehr Flexibilität, um beispielsweise Übergaben zu regeln und Streit zu vermeiden bzw. zumindest das Potenzial für einen erfolgreichen Streit durch Pflichtteilsberechtigte zu vermindern.

 

anwaltfinden.at: Inwiefern unterscheidet sich das Erben eines Hofes bzw. Betriebes zu sonstigen Erbangelegenheiten?

Für geschlossene Höfe gelten eigene Regeln, die einerseits den gesamten Hof einem einzigen Erben zuordnen und weiters verhindern sollen, dass die vom Hofübernehmer an die Pflichtteilsberechtigten (z.B. Geschwister) zu leistenden Zahlungen zu hoch sind und die Landwirtschaft durch diese Zahlungen zu stark geschwächt wird und im schlimmsten Fall sogar verkauft werden muss. Als Berechnungsbasis für den Pflichtteil wird – anders als bei sonstigen vererbten Liegenschaften – der bäuerliche „Übernahmewert“ herangezogen, der sich primär am möglichen Ertrag und nicht am möglichen Verkaufspreis der landwirtschaftlichen Grundstücke orientiert. Der Hof soll auch in der nächsten Generation „Wohl-Bestehen-Können“. Die Schwierigkeit hierbei ist die große Bandbreite von (fachlich durchaus korrekten) Einschätzungen des Wertes eines Hofes.

Wenn ein Hof nicht als geschlossener Hof eingetragen ist, die Voraussetzungen für einen geschlossenen Hof allerdings erfüllen würde, gibt es auch hier Ermäßigungen in der Höhe der an übrige Pflichtteilsberechtigte zu leistenden Ausgleichszahlungen, die an die Bestimmungen für geschlossene Höfe angelehnt sind.
Für Betriebe gelten keine Sonderregelungen. Sie werden nach den allgemeinen Regeln vererbt und die Höhe des Pflichtteils orientiert sich am Verkehrswert des Betriebes bzw. der zugehörigen Sachen.

 

anwaltfinden.at: Es gibt im Erbrecht sogenannte „geschlossene Höfe“, bei denen das Anerbenrecht gilt. Wann handelt es sich um einen geschlossenen Hof und was bestimmt das Anerbenrecht?

In den meisten Bundesländern gibt es sogenannte „Höfegesetze“, die definieren, was im jeweiligen Bundesland als „geschlossener Hof“ gilt. In meinem Fall kann ich nur für Tirol sprechen, hier sind geschlossene Höfe daran zu erkennen, dass ihre Einlagezahl im Grundbuch mit den Ziffern „90“ beginnt. In Tirol galt über viele Jahre als wesentliche Voraussetzung zur Beurteilung, ob eine Landwirtschaft als geschlossener Hof geeignet war, dass eine fünfköpfige Familie angemessen vom Hof leben konnte. Seit dem Jahr 2016 muss der Ertrag nur noch zur angemessenen Erhaltung von zwei Erwachsenen ausreichen, da die Höfe immer kleiner werden und somit auch der Ertrag geschmälert wird.

Sollte ein Erblasser kein Testament errichtet haben, erben die gesetzlich vorgesehenen Erben anteilsmäßig. Bei einem geschlossenen Hof sieht das Anerbenrecht ein Verfahren vor, bei dem aus dem Kreis der gesetzlichen Erben ein einziger Übernehmer des geschlossenen Hofes ausgewählt wird. Die übrigen Erben erhalten lediglich einen, in Geld bestehenden, Pflichtteilsanspruch. Während sich allgemein die Höhe des Pflichtteils nach den Verkehrswerten (also den erzielbaren Verkaufspreisen) richtet, ergibt sich bei einem geschlossenen Hof ein geringerer Betrag, da der Gesetzgeber nicht möchte, dass der Hofübernehmer Grundstücke verkaufen muss, um die Pflichtteilsansprüche zu bezahlen. Im Streitfall hat das Gericht nach „Billigkeit“ einen angemessenen Betrag festzulegen, der dem Hofübernehmer das „Wohl-Bestehen“ ermöglichen soll. Es gibt dafür keine starre Formel, sondern ist nach den konkreten Umständen zu entscheiden. Gerichte berücksichtigen hierbei die Verkehrswerte, den möglichen Ertrag aus der Bewirtschaftung, teilweise auch, ob der Hof selbst bewirtschaftet oder verpachtet wird.
Zum Ausgleich für die geringere Pflichtteilsauszahlung sieht das Tiroler Höfegesetz bei Grundverkäufen durch den Hofübernehmer in den folgenden zehn Jahren nach der Übernahme zusätzliche Zahlungen an die Pflichtteilberechtigten durch den Hofübernehmer vor –eine sogenannte „Nachtragserbteilung“.

 

anwaltfinden.at: Es gibt mehrere potenzielle Erben des Hofes bzw. Betriebes. Welche Rechte haben jene, die vom Erbe zurücktreten, bzw. was passiert, wenn niemand nachgeben möchte?

Gibt es mehrere potenzielle Erben, es liegt kein Testament vor bzw. das Testament sieht keinen einzelnen Erben für den geschlossenen Hof vor, gibt es zwei Optionen.
Bei einem normalen Landwirtschaftsbetrieb, der kein „geschlossener Hof ist“, erben alle gesetzlichen Erben gemeinsam nach den gesetzlichen Quoten. Sie müssen sich dann über die weitere Vorgangsweise einigen. Ist das nicht möglich, kann jeder Miteigentümer den Verkauf der Liegenschaft durch eine Teilungsklage erzwingen.
Bei einem geschlossenen Hof kann es laut dem Tiroler Höfegesetz nur einen einzigen Übernehmer geben. Dieser wird im Streitfall vom Gericht ausgewählt. Das Gesetz sieht verschiedene Auswahlkriterien vor, wie zum Beispiel ein bereits bestehendes Miteigentum am geschlossenen Hof, das Aufwachsen am Hof, eine landwirtschaftliche Ausbildung, das Alter und von welcher familiären Seite der Hof kommt. Dieses Verfahren wird vor dem Verlassenschaftsgericht geführt.

 

anwaltfinden.at: Die Entscheidung über das Erbe wurde gefällt. Muss ich als Erbe des Hofes den übrigen Pflichtteilberechtigten eine Abfindung zahlen?

Auch der Erbe eines geschlossenen Hofes muss den übrigen Pflichtteilsberechtigten einen Ausgleich bezahlen, der auf der Basis des „Übernahmewertes“ bestimmt wird. Wie bei allen Pflichtteilsansprüchen werden hierbei Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten und etwaige Vermächtnisse an die Pflichtteilberechtigten abgezogen – außer, wenn im Vorhinein ausdrücklich vereinbart wurde, dass dies nicht geschehen soll.

 

anwaltfinden.at: Wie würde eine mögliche Abfindung berechnet werden?

Nur bei geschlossenen Höfen ist die Basis der Übernahmewert. Die Einschätzung des möglichen Übernahmewertes ist häufig die zentrale Schwierigkeit bei der Einschätzung, wie hoch die Pflichtteilsansprüche konkret sind.
Jeder Pflichtteilsberechtigte kann im Verlassenschaftsverfahren die Schätzung der zur Verlassenschaft gehörigen Sachen verlangen. Den Aufwand für die Schätzung muss die Verlassenschaft zahlen, sohin der Erbe. Das Schätzergebnis aus dem Verlassenschaftsverfahren ist für ein allfälliges streitiges Gerichtsverfahren über die Auszahlung des Pflichtteils nicht bindend.

Wurde der Hof schon zu Lebzeiten übergeben, kann der Pflichtteilsberechtigte nicht im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens auf Kosten des Erben die Schätzung des zu Lebzeiten übergebenen Hof verlangen. Das erschwert den Pflichtteilberechtigten die Einschätzung der Höhe ihres Anspruchs oder sie müssen selbst den Aufwand für die Erstellung eines privaten Schätzgutachtens tragen.

Wenn ein Landwirtschaftsbetrieb zwar formal nicht als geschlossener Hof festgestellt wurde, allerdings die Kriterien dafür erfüllen würde, sind nach auch heute noch anzuwendendem Gewohnheitsrecht auf die Grundsätze des „Wohl-Bestehen Könnens“ des Hofübernehmers ebenfalls Bedacht zu nehmen. Auch in diesen Fällen bemisst sich der den Pflichtteilsberechtigten zustehende Betrag nicht nur nach den Verkehrswerten.

Ist der mögliche Ertrag des Hofes jedoch zu gering und können die Kriterien für einen geschlossenen Hof nicht erreicht werden, so ist für die Berechnung der Pflichtteile nur der Verkehrswert ausschlaggebend.

Pflichtteilsberechtigte können verlangen, dass Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten bei der Berechnung ihrer eigenen Pflichtteilsansprüche berücksichtigt werden. Während es bei Schenkungen an Nicht-Verwandte darauf ankommt, wann die Schenkung erfolgte, sind Schenkungen im Familienkreis immer zu berücksichtigen, egal, wann sie erfolgten.

Da es in der Praxis für Pflichtteilsberechtigte regelmäßig schwierig ist, Schenkungen von beweglichen Sachen (Geld, sonstige Wertgegenstände…) durch den Verstorbenen an andere Personen zu beweisen, hat der Gesetzgeber vor einigen Jahren ein Auskunftsrecht verankert und gibt es hierzu bereits einige höchstgerichtliche Judikatur, wer, wann und wie detailliert Auskunft geben muss.

Allerdings verringert sich der vom Erben an einen Pflichtteilsberechtigten zu zahlende Betrag um die Werte der vom jeweiligen Pflichtteilsberechtigen vom Verstorbenen erhaltenen Geschenke.



anwaltfinden.at: Was raten Sie Familien, die einen familieneigenen Hof bzw. Betrieb führen, vor Ihrem Ableben zu klären?

Falls es möglich ist, sollte bereits zu Lebzeiten die Übergabe des landwirtschaftlichen oder sonstigen Betriebes geregelt werden. Gerade bei Betrieben können Streitigkeiten nach dem Tod des Erblassers die weitere Entwicklung des Betriebes behindern oder diesen sogar in den Ruin führen. Das wollen natürlich die wenigsten Betriebsinhaber. Falls es zu gar keiner Lösung zur Nachfolge innerhalb der Familie kommt, kann diese auch in einem Verkauf durch den Erblasser liegen.

Zu Lebzeiten hat man dazu mehr Zeit, kann mit allen Betroffenen diskutieren und soweit möglich bindende Vereinbarungen treffen.

Wenn keine Lösung gefunden werden kann, der alle Beteiligten (zukünftiger Erblasser, Erbe oder Vermächtnisnehmer und die möglichen Pflichtteilsberechtigten) zustimmen, sollte sich der Eigentümer des Hofes oder sonstigen Betriebes bzw. der von diesem gewünschte Übernehmer dringend durch einen Anwalt beraten lassen, welche Gestaltungsmöglichkeiten es zu Lebzeiten gibt.

Eine rechtzeitige und umfassende Nachfolgeplanung ist notwendig, um die Gefahr von Streitigkeiten unter den Erben und Pflichtteilsberechtigten möglichst gering zu halten.

 

anwaltfinden.at: Wie können Sie, als Rechtsexperte im Erbrecht, die Erben von Höfen bzw. Betrieben unterstützen?

Ich unterstütze, indem ich potenzielle Hof- bzw. Betriebsübernehmer über die Möglichkeiten und potenziellen Risiken aufkläre, wie z.B. notwendige Haftungsübernahmen, Schuldübernahmen und mögliche Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten (Geschwister, Halbgeschwister, etc.). Falls notwendig geschieht dies in Zusammenarbeit mit erfahrenen Steuerberatern und Sachverständigen. Des Weiteren gestalte ich Pflichtteilsverzichte und berate zu bestmöglicher Gestaltung von Übergaben, Sicherung von Beweismitteln für mögliche zukünftige Streitigkeiten etc. Ich stelle sicher, dass andere Blickwinkel bei den Übergaben berücksichtigt werden – z.B. die Absicherung der Ehepartner oder schutzbedürftiger Verwandter – unterstütze bei der Abklärung der Höhe des Anspruchs und regle Schenkungen für die Pflichtteilsberechtigten.

Viele haben Angst, sich mit ihrem eigenen Testament zu befassen. Schließlich zwingt das, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinander zu setzen. Daher schieben sie das Thema Monat für Monat auf.

Wenn wir es dann gemeinsam geschafft haben, spüre ich regelmäßig die Erleichterung meiner Mandanten.

Der wichtigste Appell an meine Klienten ist, sich einen Ruck zu geben und möglichst rasch ein gültiges Testament zu errichten – professionelle Beratung zahlt sich dabei immer aus.

 

Dr. Robert Heitzmann – Ihr fachkompetenter Experte im Erbrecht 

 

Haben Sie einen Betrieb und möchten diesen für die Zukunft absichern? Oder beschäftigen Sie anderwärtige Erbangelegenheiten und möchten Sie einen ehrlichen und professionellen Rat erhalten? Ihr erbrechtlicher Experte Dr. Robert Heitzmann berät Sie gerne. Seine Kanzlei finden Sie in 6020 Innsbruck. Vereinbaren Sie einen Termin und erhalten Sie eine aufklärende Erstberatung.  Mehr Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil Dr. Robert Heitzmann auf anwaltfinden.at. 

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