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Probleme nach dem Kauf: Wann Gewährleistung auch für Haustiere gilt! - Experteninterview mit Rechtsanwältin Dr. Susanne Chyba

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Es mag ungewöhnlich klingen, aber auch Tiere werden im österreichischen Gewährleistungsrecht gleichbehandelt, wie sonstige bewegliche Sachen bzw. Gegenstände, beispielsweise ein PKW oder ein Sofa. Das bedeutet, dass Sie bei einem Tier, welches Mängel aufweisen sollte, Gewährleistungsansprüche gelten machen können. Welche Voraussetzungen es hierzu benötigt und ob es einen Unterschied macht, ob von Hund oder Rind die Rede ist, erfahren Sie im folgenden Interview von Rechtsanwältin Dr. Susanne Chyba, Tier- und Gewährleistungsrechtsexpertin.    

anwaltfinden.at: Frau Dr. Chyba, können Sie sich und Ihren beruflichen Werdegang kurz vorstellen?  

Ich war lang in einer größeren Kanzlei in St. Pölten tätig; später auch als Partnerin. Im Jahr 2020 haben sich dann meine jetzige Kanzleipartnerin und ich abgespalten und eine Art „Spin-off-Kanzlei“ gegründet. Wir haben unsere Schwerpunkte untereinander aufgeteilt. Ich bin vor allem im Schadenersatz – besonders bei Großschäden und Verkehrsunfällen – im Versicherungs- sowie im Regressrecht tätig. Einer meiner Schwerpunkte ist auch das Tierrecht. Das Tierrecht ist komplexer und vielseitiger als man meinen würde. Es geht über das Verwaltungsrecht und Zivilrecht bis hin zum Strafrecht.  

anwaltfinden.at: Das Gewährleistungsrecht wird in Österreich in der Regel bei Mängeln an einer Sache oder einer Leistung angewandt. Wie schaut jedoch die Gesetzeslage aus, wenn ich ein Tier kaufe?  

Derzeit – leider – beinahe genauso wie bei einem Sofa oder einer anderen Sache. Hier wird laut Gesetz bedauerlicherweise nicht unterschieden. Bei Nutztieren gibt es zwar eine Sonderverordnung, aber Haustiere werden hier wie eine Sache behandelt. Der Gesetzgeber argumentiert zwar, dass Tiere keine Sachen sind, wenn es jedoch keine anderen Bestimmungen gibt, sind sie wie Sachen zu behandeln. Das gilt unter anderem im Gewährleistungsrecht.

anwaltfinden.at: In welchen Fällen spricht man von einem Mangel bei Tieren? Können Sie uns hierzu ein paar Paradebeispiele nennen? 

Zunächst muss zwischen Mängeln und offenkundigen Mängeln unterschieden werden. Fehlt der Katze ein Bein, ist das – sofern es der Käufer vorher gesehen hat, ein offenkundiger Mangel, da klar ersichtlich ist, dass das Tier nur drei Beine hat. Der Kaufvertrag wird daher bereits mit dieser offenkundigen Eigenschaft abgeschlossen und ich kann es nachher nicht im Sinne der Gewährleistung geltend machen.

Es gibt jedoch auch Mängel, wie Krankheiten, Veranlagungen oder sonstige Sachmängel (das Pferd weist eine mangelnde Leistungsfähigkeit auf oder eine zugesagte, aber nicht vorhandene Trächtigkeit), die nicht direkt erkennbar sind.

Typische Fälle sind hier Hunde mit Parvovirose – oder Hüftgelenksdysplasie (HD) oder Pferde mit Arthrosen und sonstigen Knorpel- und Knochenveränderungen. Dies sind solche Mängel, die nicht gleich zu erkennen sind und erst später hervor kommen, da diese bereits in der Anlage vorhanden, aber nicht sichtbar sind. Diese Mängel sind im Gewährleistungsrecht relevant.

anwaltfinden.at: Für welche Tiere gelten diese gesetzlichen Bestimmungen?

Bei Haustieren wird überhaupt nicht zwischen den Arten unterschieden; auch nicht, wenn es sich hierbei um exotische Tiere handelt. Es gibt aber eine Tiermängelverordnung, in der Pferde (Nutz-, aber keine Sporttiere), Esel, Rinder, Schafe, Schweine, Ziegen, Hühner und Kaninchen umfasst sind. Kurz und vereinfacht, bei allen Tieren, die nicht landwirtschaftlich sind, gelten keine Sonderregelungen und damit ganz normale Gewährleistungsrechte.    

anwaltfinden.at: Stichwort „Vermutungsfrist“: Was darf darunter verstanden werden?  

Bei der Gewährleistung ist der Zeitpunkt der Übergabe maßgeblich. Da es natürlich sehr schwer festzustellen ist, wann ein Mangel aufgetreten ist und damit auch, ob ein Gewährleistungsbehelf vorliegt, hat der Gesetzgeber sogenannte Vermutungsfristen eingeführt. Tritt der Mangel nach dem ABGB innerhalb der ersten 6 Monate auf, wird somit vermutet, dass der Mangel bereits bei der Übergabe bestanden haben muss. Bei Konsumenten wurde diese Frist jetzt auf 12 Monate verlängert.

Wenn ich beispielsweise einen Hund kaufe und dieser bekommt drei Wochen später plötzlich Symptome, wird vermutet, dass der Mangel schon bei Übergabe vorhanden war. Das heißt, es kommt zu einer Beweislastverteilung zu Gunsten des Käufers. Folglich muss der Verkäufer bzw. der Übergeber beweisen, dass der Mangel bzw. hier die Krankheit zum Übergabezeitpunkt noch nicht bestanden hat. 

Bei landwirtschaftlichen Tieren gilt die Gewährleistungsfrist von 6 Wochen ab Übergabe. Hier besteht jedoch die gesetzliche Vermutung bei einigen Krankheiten, dass sie bereits bei Übergabe vorhanden war, wenn diese innerhalb bestimmter Fristen hervorkommen. Die 6-Wochenfrist beginnt erst nach Ablauf der jeweiligen Vermutungsfrist zu laufen. Die Vermutungsfristen sind je nach Tier und Krankheit unterschiedlich geregelt.  

anwaltfinden.at: Bleibt die Frist zur Geltendmachung der Gewährleistung gleich wie bei Waren?

Ja, bei Haustieren schon!

anwaltfinden.at: Macht es einen Unterschied, ob ich beim Züchter oder bei einer Privatperson kaufe?

„Kauft“ man ein Tier im Tierheim, wird die Übergabe meist mit Schenkungsverträgen oder Ähnliches geregelt. Bekomme ich etwas geschenkt, gelten keine Gewährleistungsrechte. Die Gewährleistung besteht nur bei einem Kaufvertrag.

Es macht jedoch einen Unterschied, ob ich ein Tier privat kaufe oder von einem Züchter. Bei einem Unternehmen kommt das Konsumentenschutzgesetz (KSchG) zur Anwendung, bei einer Privatperson kann ich jedoch die Gewährleistung ausschließen. Betreibt jemand beispielsweise eine Hobbyzucht, wird man hier oftmals argumentieren können, dass die Zucht nicht unter den Unternehmerbegriff des Konsumentenschutzgesetzes fällt. Wer jedoch regelmäßig Würfe hat – auch wenn diese nicht auf Gewinn gerichtet sind – fällt jedoch dennoch sehr oft in den Unternehmerbegriff des Konsumentenschutzgesetz und kann die Gewährleistung mit einer Privatperson nicht ausschließen.    

anwaltfinden.at: Ändern sich die Gewährleistungsrechte, wenn ich einen älteren Hund kaufe und hier das Risiko einer Erkrankung ohnehin höher ist als bei einem Welpen?

Nein, grundsätzlich nicht. Die Gewährleistungsrechte ändern sich nicht. Klar ist, dass die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften bei einem älteren Hund nicht mehr mit denen eines Welpen zu vergleichen sind. Darauf sollten natürlich Käufer und Verkäufer achten.  

anwaltfinden.at: Welche Gewährleistungsansprüche stehen mir als Käufer zu? Können in weiterer Folge auch Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden?

Ja! Die Gewährleistung Schadenersatzansprüche nicht aus, wobei die Gewährleistung verschuldensunabhängig ist. Der Verkäufer muss daher auch ohne Verschulden – so wenn er nichts dafür kann, dass der Hund bei der Übergabe krank war -dennoch Gewähr leisten.

Eine Vertragsauflösung (früher Wandlung) wollen in der Praxis bei einem Tier die wenigsten, da hierzu das Tier wieder zurückgegeben werden müsste. Eine Verbesserung ist oftmals auch nicht möglich, da das Tier oft auch Behandlungen krank bleibt. Dann bleibt nur die Preisminderung.

Schadenersatzansprüche sind nicht an die Höhe des Kaufpreises gebunden. Sprich, diese können jedenfalls durchaus darüber hinaus gehen. Wichtig ist, dass ich hier aber immer ein Verschulden benötige. Wenn der Verkäufer nichts von der Krankheit weiß und auch nicht wissen konnte, wird er auch kein Verschulden haben.

Beim Schadenersatz gibt es hier eine Bestimmung im ABGB, dass die Behandlungskosten beim Tier nicht mit dem Wert der Sache begrenzt sind, wie beispielsweise bei einem Auto, bei dem ich nicht mehr darüber hinaus verlangen darf, da sonst ein Totalschaden vorliegt. Bei einem Tier kann der Schadenersatz der Behandlungskosten jedoch bis zum 5-fachen oder gar 10-fachen Wert des Tieres gehen.

anwaltfinden.at: Gibt es zum Thema „Gewährleistungsrechte bei Tieren“ besondere Stolpersteine, die viele Menschen oftmals außer Acht lassen?

Immer wieder kommen mir Verträge unter, in denen einzelne Klauseln unwirksam sind. Oftmals suchen dann Konsumenten rechtlichen Rat, um sich zu erkundigen, ob diese Vereinbarungen wirklich gelten, wie es im Vertrag vereinbart wurde. Prüfen Sie daher bitte immer den Kaufvertrag; im Zweifel kann Ihnen ein Rechtsanwalt hierzu weiterhelfen.

Züchtern – wenn man Unternehmer nach dem KSchG  ist – rate ich wiederum, sich bewusst zu werden, dass wenn sie etwas verkaufen, eine Gewährleistung nahezu nie ausgeschlossen werden kann und dies natürlich entsprechende Konsequenzen nach sich zieht.

Fragen zum Thema Gewährleistungsrechte bei Tieren?

Wie beim Autokauf gilt auch bei Kauf eines Tieres: Gewährleistungsrechte können im Falle eines Mangels geltend gemacht werden. Sollten Sie in Ihrem individuellen Anliegen Gewährleistungsansprüche durchsetzen wollen, berät Sie gerne die Kanzlei von Tierrechtsexpertin Dr. Susanne Chyba umfassend zu Ihren Rechten. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Rechtsanwältin Dr. Susanne Chyba auf anwaltfinden.at.        

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