Das Fruchtgenussrecht bedeutet, dass man einen Gegenstand, der jemand anderem gehört, selbst ohne Einschränkung benützen darf. Worauf man hierbei sowie bei der Einräumung eines Fruchtgenussrechtes jedenfalls achten muss, beantwortet Ihnen Dr. Ekkehard Bechtold, Rechtsanwalt und Experte im Erbrecht.
Mein Name ist Ekkehard Karl Albert Bechtold. Ich habe nach meiner Promotion zum Doktor der Rechte Gerichtspraxis und Konzipientenzeit abgewickelt und bin seit dem Jahr 1984 als selbstständiger Rechtsanwalt in unserer Rechtsanwaltsgesellschaft in Dornbirn am Marktplatz tätig. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte hat sich bei mir eine Spezialisierung, insbesondere im Bereich des Erbrechtes, ergeben.
Qualitative Arbeit im rechtlichen Bereich – dies gilt natürlich auch für eine Spezialisierung im Erbrecht – erfordert zum einen wirklich gute Kenntnisse der rechtlichen Gegebenheiten. Gerade um sich wirklich vertiefen zu können, geht man in die Spezialisierung. Wichtig ist aber auch ein Bauchgefühl für praktikable, gute Lösungen, da sich jeder Sachverhalt anders darstellt. Schlussendlich ist ebenso sorgfältiges Vorgehen wichtig. Die Sachen sollten immer wieder einmal überdacht werden. Die Lösung, die einem als erste einfällt, ist oft nicht die beste.
Unter dem Fruchtgenussrecht versteht man ein – im Hinblick auf Liegenschaften sogar im Grundbuch eintragbares – Recht, diese nach allen ihren Möglichkeiten zu nutzen, allerdings unter Erhaltung der Substanz. Bei einer Wohnung zum Beispiel kann der Fruchtgenussberechtigte darin wohnen, er kann sie aber auch vermieten.
Bezüglich des Fruchtgenussrechtes ist man grundsätzlich gut beraten, wenn man im Vertrag, der das Fruchtgenussrecht einräumt, regelt, inwieweit der Fruchtnießer verpflichtet ist, Ausbesserungen an der bestimmten Sache vorzunehmen. Man findet in solchen Verträgen regelmäßig die Frage, wer Betriebs- und Ausbesserungskosten sowie Erhaltungskosten tragen soll. Das Gesetz selbst sieht vor, sollte es diesbezüglich keine vertragliche Regelung geben, dass der Fruchtnießer die Erhaltung der Sache soweit vorzunehmen hat, wie dies aus den von ihm zu beziehenden Früchten möglich ist. Das ist die gesetzliche Grundlage, in der Regel wird es jedoch vertraglich genau ausformuliert.
Die Begriffe „Zuwendungsfruchtgenuss“ und „Vorbehaltsfruchtgenuss“ stammen vor allem aus dem Steuerrecht. Im ersteren Fall räumt ein Liegenschaftsbesitzer einer anderen Person ein Fruchtgenussrecht an seiner Liegenschaft ein, behält sich aber das Eigentum vor. Im Falle des Vorbehaltsfruchtgenussrechtes gibt ein Liegenschaftseigentümer das Eigentum an seiner Liegenschaft weiter, behält sich aber das Nutzungsrecht vor. Solches kommt häufig im Zuge erbrechtlicher Regelungen vor, wenn Liegenschaften schon zu Lebzeiten an die Nachkommen übertragen werden.
Das Fruchtgenussrecht kann zwischen beliebigen Personen vereinbart werden. In der Praxis kommt es am häufigsten im Zusammenhang mit Vermögensübertragungen im Familienbereich vor.
Bei einer Schenkung einer Immobilie unter Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes sollte darauf geachtet werden, dass durch gleichzeitige Begründung eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes verhindert wird, dass die Liegenschaft vom Geschenknehmer an Dritte veräußert wird oder als Pfand für Verbindlichkeiten gegeben wird, sodass sie versteigert werden könnte. Solche Vorgänge sind regelmäßig für den Schenker, der die Liegenschaft noch nutzen soll und will, ungünstig.
Weiters ist dafür zu sorgen, dass Fruchtgenussrechte, die man sich vorbehalten hat, auch im Grundbuch eingetragen werden, damit sie bei einem Wechsel des Liegenschaftseigentümers – falls der erste neue Eigentümer beispielsweise stirbt – auch dritte Eigentümer jedenfalls binden.
Es gibt auch besondere erbliche Konstellationen, in welchen die Einräumung eines reinen Wohnrechtes statt eines Fruchtgenussrechtes empfehlenswerter ist. Bei einem reinen Wohnrecht darf der Berechtigte die Liegenschaft nur bewohnen, aber nicht anderweitig nutzen.
Bei der Einräumung eines Fruchtgenussrechtes durch letztwillige Verfügung ist wichtig, dass sich der Erblasser überlegt, welche Personen er durch diese Rechtseinräumung aneinanderbindet. Das Recht des Einen ist nämlich die Belastung des Anderen. Wenn in solchen Verhältnissen von vornherein Spannungen gegeben sind, ist dies für alle Beteiligten ungünstig.
Soweit ein Fruchtgenussrecht durch eine letztwillige Verfügung eingeräumt wird, ist – da eine solche theoretisch auch ohne fachkundigen Berater erstellt werden kann (man denke an das eigenhändige Testament) – auf klare Formulierungen zu achten. Undeutliche Äußerungen gefährden die Umsetzung des letzten Willens.
Fruchtgenussrechte sind an sich laut Systematik des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches persönliche Dienstbarkeiten, also personenbezogene Rechte. Wenn also per Vertrag oder über einen letzten Willen einer Person ein Fruchtgenussrecht eingeräumt wird, so erlischt dies im Normalfall mit dessen Ableben. Das Recht als Solches ist somit – wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart oder letztwillig angeordnet ist – nicht vererblich.
Die Verpflichtung hingegen, die aus einem Fruchtgenussrecht für den Grundeigentümer erwächst, geht sehr wohl auf dessen Erben über. Solange das Fruchtgenussrecht dem Fruchtgenussberechtigten zusteht, bleibt der jeweilige Liegenschaftseigentümer belastet.
Die Frage, ob man sich bei vorgezogenen Regelungen der Vermögensnachfolge des Rechtsinstitutes eines Fruchtgenussrechtes bedient, ist situationsabhängig. Jedenfalls ist es eine Bereicherung der Möglichkeiten, die zu solchen Regelungen zur Verfügung stehen.
Gerade im Familienkreis wird gerne die Variante gewählt, dass schon zu Lebzeiten Liegenschaftseigentum an die vorgesehenen potenziellen Erben übertragen wird und sich die Vorfahren lediglich ein Nutzungsrecht – sei es in Form eines Fruchtgenusses, sei es in Form eines reinen Wohnungsgebrauchsrechtes – vorbehalten. Durch entsprechende Absicherungsinstrumente kann gewährleistet werden, dass sich für die Berechtigten nichts verändert, während sie andererseits wissen, dass die Regelung, die sie wünschen, auch tatsächlich umgesetzt wird.
Bei jeglicher Art der Einräumung eines Fruchtgenussrechtes, insbesondere aber bei vertraglicher Begründung, ist darauf zu achten, die nötigen Nebenregelungen sorgfältig zu treffen. Es müssen Dinge, wie beispielsweise Kosten der Erhaltung des betroffenen Objektes oder die Übernahme bestehender Schulden etc., genau überlegt und dann klar formuliert werden, um nachträgliche Meinungsverschiedenheiten und daher rührenden Streit zu vermeiden.
Und: Ein Fruchtgenussrecht erzeugt ein mitunter sehr lang dauerndes rechtliches Band zwischen zwei Personen, die somit schon irgendwie zusammenpassen sollten.
Herzlichen Dank für das Interview!
Sie möchten ein Fruchtgenussrecht durch Ihre letztwillige Verfügung einräumen und haben diesbezüglich Fragen? Wenden Sie sich vertrauensvoll an Dr. Ekkehard Bechtold, Ihre Ansprechperson in Anliegen rund um das Erbrecht. Für ein persönliches Erstberatungsgespräch kontaktieren Sie die Anwaltskanzlei in Dornbirn. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Rechtsanwalt und Erbrechtsexperte Dr. Ekkehard Bechtold auf anwaltfinden.at.
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