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Das Doppelresidenzmodell – wie es gelingen kann

Rechtsstatue

Das Doppelresidenzmodell bedeutet, dass sich die Kinder, nach der Trennung der Eltern, annähernd gleich viel bei beiden Elternteilen aufhalten. Die Doppelresidenz ermöglicht beiden Elternteilen, dass sie sowohl Freizeit als auch Schulalltag gemeinsam mit den Kindern gestalten. Welche Voraussetzungen es benötigt, damit das Modell der Doppelresidenz gelingen kann, wann davon abzuraten ist und welche Chancen und Herausforderungen das Modell mit sich bringt, beantwortet Ihnen Rechtsanwältin und Familienrechtsexpertin, Mag. Anna-Maria Freiberger.

anwaltfinden.at: Frau Mag. Freiberger, könnten Sie sich unseren Usern kurz vorstellen?

Mein Name ist Mag. Anna-Maria Freiberger. Ich bin Rechtsanwältin und Mediatorin in Wien. Ich bin verheiratet und Mutter eines 16-jährigen Sohnes.

anwaltfinden.at: Sie sind unter anderem Rechtsanwältin im Familienrecht – was interessiert Sie daran besonders und worauf legen Sie bei der Behandlung von familienrechtlichen Angelegenheiten besonderen Wert?  

Ich löse gerne Konflikte. Vor allem im Familienrecht ist den Parteien oft besser gedient, Konflikte fair zu lösen, anstatt jahrelang um Gerechtigkeit zu streiten. Ich helfe Ihnen herauszufinden, wofür es sich lohnt, vor Gericht zu ziehen und was Sie ohne Verfahren rascher und günstiger lösen können.

Ich beobachte regelmäßig, wie anstrengend gerichtlich anhängige Konflikte für die Parteien gerade in Obsorge und Kontaktrecht Verfahren sind. Ich suche deshalb gemeinsam mit dem Klienten nach realistischen Möglichkeiten einer fairen und friedlichen Lösung. Manchmal kann kein einvernehmlicher Weg gefunden werden.

anwaltfinden.at: Was versteht man unter dem Doppelresidenzmodell?

In einem Doppelresidenzmodell erbringen die Elternteile nahezu gleichwertige Betreuungsleistungen für die Kinder. Das bedeutet, dass jeder Elternteil etwa gleich viel Betreuungszeiten leistet. Eine wirtschaftliche Voraussetzung dafür ist, dass beide Eltern einen ausreichenden Wohnraum haben müssen, in dem die Kinder betreut werden können.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Eltern eine besonders gute Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit haben. Die Wohnsitze der Eltern müssen so nahe beieinanderliegen, dass das Kind von beiden Wohnsitzen aus den Kindergarten oder die Schule gut erreichen kann, weil nur durch diese Nähe eine Kontinuität der sozialen Kontakte des Kindes gesichert ist. Die Doppelresidenz funktioniert, wenn beide Eltern bis zur Trennung die Kinder schon gemeinsam betreut haben. Das Doppelresidenzmodell muss dem Kindeswohl am besten entsprechen. Nicht für alle Kinder ist es ideal regelmäßig das Zuhause zu wechseln.

anwaltfinden.at: Neben dem Modell der Doppelresidenz gibt es ebenso das Nestmodell – wie wird dieses definiert?

Im Nestmodell betreuen die Eltern die Kinder in einer Wohnung. Dieses wird nur sehr selten faktisch gelebt, da die Eltern bei diesem Modell nach deren Trennung 3 Wohnungen benötigen.

anwatlfinden.at: Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für das Doppelresidenzmodell? Besteht in diesem Zusammenhang ein Unterhaltsanspruch bzw. wie bemisst sich dieser?

In der Doppelresidenz müssen beide Eltern die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Kinder erfüllen. Jeder bezahlt selbst den Wohnraum für das Kind, den eigenen Urlaub mit dem Kind, sowie Nahrung, Hygieneartikel etc.

Gemeinsam bezahlt werden längerlebige Ausgaben (von der Winterjacke bis zur Zahnspange) aber auch Schulgeld, Hortkosten etc.

Wenn die Eltern ein unterschiedlich hohes Einkommen haben, so ist ein Ausgleich vom Besserverdienenden an den schlechter verdienenden Elternteil zu leisten. Der schlechter verdienende Elternteil erhält die Hälfte der Differenz der ewigen Unterhaltsansprüche, die das Kind an den anderen Elternteil (im Falle der Betreuung durch diesen Elternteil) hätte.

anwaltfinden.at: Welche Voraussetzungen müssen prinzipiell erfüllt sein, damit eine Doppelresidenz funktionieren kann?

Ich empfehle das Doppelresidenzmodell, wenn beide Eltern ihre Emotionen so gut unter Kontrolle haben, dass sie einigermaßen friedlich miteinander kommunizieren können, wenn beide Eltern bis zur Trennung die Kinder in etwa gleichteilig betreut haben, wenn beide Elternteile die Kinder im Doppelresidenzmodell betreuen wollen, wenn das Modell für das Kind passt, wenn das Doppelresidenzmodell für beide Eltern wirtschaftlich tragbar ist und wenn die Entfernung der Wohnsitze der Eltern gering ist.

anwaltfinden.at: Mit jedem Betreuungsmodell gehen Vor- und Nachteile einher. Wo liegen die größten Chancen und Herausforderungen des Doppelresidenzmodells?

Der Vorteil des Modells liegt sicher darin, dass die Bindung des Kindes zu beiden Eltern gefördert wird. Beide Eltern bleiben auch nach der Trennung für das Kind im Alltag erhalten. Das Kind kann sich von jedem Elternteil das holen was es braucht.

Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Eltern aufeinander mehr Rücksicht nehmen müssen. Im Doppelresidenzmodell sind regelmäßig Fragen zwischen den Eltern zu klären, halten sich diese zueinander feindselig macht dieses Modell weder für die Eltern noch für das Kind Sinn.

anwaltfinden.at: Gibt es Fälle, in denen von einer Doppelresidenz abzuraten ist?

Ich rate davon ab, wenn der Konflikt zwischen den Eltern massiv ist, sich ein Elternteil destruktiv verhält, wenn das Modell für das betroffene Kinder nicht passt, wenn dieses Modell nur verwendet wird, um Unterhalt zu sparen bzw. nicht eine grundsätzliche Einigung besteht, wie die Kinder gefördert werden sollen oder wenn es aus wirtschaftlichen Gründen nicht lebbar ist.

anwaltfinden.at: Welche Tipps haben Sie, als Expertin im Familienrecht, für Eltern, die das Modell der Doppelresidenz umsetzen möchten und wie können Sie diese hierbei unterstützen?

Ich höre von Kindern oft den Wunsch, dass die Eltern künftig je zur Hälfte betreuen sollen. Kinder sagen in Konfliktsituationen der Eltern regelmäßig, dass sie sich wünschen, dass die Eltern nicht weiter miteinander streiten.

Als Elternteil muss man sich fragen, ob der Konflikt stärker wird oder gelöst wird, wenn man Kinder gemeinsam betreut. Man muss auch genau beleuchten, ob die Vereinbarung wirtschaftlich fair ist. Bei großen Einkommensunterschieden der Eltern ist dies manchmal nicht der Fall. Wenn die Eltern einander stark ablehnen und ihre Emotionen nicht unter Kontrolle haben oder unterschiedliche Erziehungsziele haben, die einander widersprechen (zum Beispiel bei einem Elternteil darf grenzenlos Video gespielt werden beim anderen Elternteil nur sehr begrenzt) muss man sich schon fragen, ob die gleichteilige Betreuung Sinn macht oder für das Kind Schwierigkeiten erzeugt.

Vielen Dank für das Interview

Sie haben weitere Fragen zum Doppelresidenzmodell oder benötigen rechtlichen Beistand in einer familienrechtlichen Angelegenheit? Rechtsanwältin und Mediatorin Mag. Anna-Maria Freiberger ist Ihre verlässliche Ansprechperson. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Rechtsanwältin und Expertin im Familienrecht, Mag. Anna-Maria Freiberger, auf anwaltfinden.at.

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