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„Ich mache mich jetzt selbständig“

„Ich mache mich jetzt selbständig“
Geschrieben von Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun
www.rechtsanwaeltin-braun.at

Immer mehr Menschen drängt es in die Selbständigkeit. Oft besteht schon lange der Wunsch, ein eigenes Business zu starten – manche sehen sich aber auch durch äußere Umstände dazu gezwungen.

Viele Mandanten glauben, mit dem Deal „Ich bekomme das Geschäftslokal und zahle dafür den Preis X“ sei bereits alles geregelt. Doch das ist bei weitem nicht der Fall. Vielmehr gilt es, vorab zahlreiche Punkte zu klären und zu recherchieren – zur Vermeidung böser Überraschungen und teurer Rechtsstreitigkeiten auf beiden Seiten.

Nachfolgend einige wichtige Praxisbeispiele (auf Personal wird hier nicht eingegangen, da der Artikel sonst zu umfangreich wäre):

1. Das Geschäftslokal – Weitergaberecht
Wenn der Verkäufer nur Mieter ist, muss geklärt werden, ob er im Mietvertrag überhaupt ein Weitergaberecht hat – idealerweise zu denselben Konditionen. In der Praxis wird dieses Recht manchmal im Gegenzug für Investitionen eingeräumt.

2. Verbotene Ablöse (§ 27 MRG)
Immer wieder wird eine Ablöse nur dafür bezahlt, dass ein günstiger Mietvertrag übernommen werden kann. Dies kann unzulässig sein – z. B., wenn kein nutzbares Inventar übernommen wird. Solche verbotenen Ablösen sind bis zu 10 Jahre rückforderbar, können nicht im Vorhinein ausgeschlossen werden und stellen eine Verwaltungsübertretung dar (Geldstrafe bis € 15.000, bei Wiederholung mehr).
Keine verbotene Ablöse liegt vor, wenn auch Geräte, Möbel, Mitbenutzung von Onlineauftritten (Website, Social Media), Markenrechte oder Beratungsleistungen mitübernommen werden – etwa Schulung des neuen Teams durch den Verkäufer.

3. Miete kann teurer werden
Die Unternehmensveräußerung ist dem Vermieter unverzüglich mitzuteilen. Liegt der bisherige Mietzins unter dem angemessenen, darf der Vermieter binnen 6 Monaten anpassen (§ 12a Abs 2 MRG).
Wichtig sind auch Betriebskosten, Indexierungen und Energiekosten. Diese können erheblich zu Buche schlagen. Prüfen Sie die Abrechnungen und klären Sie, ob Änderungen bei der Energieversorgung anstehen.

4. Nachbarschaftsverhältnis & Infrastruktur
Erkundigen Sie sich über das Verhältnis zu Nachbarn und anderen Hausparteien. Wie sieht es mit Anbindung, Frequenzlage und Parkplätzen aus?

5. Welche Tätigkeit ist erlaubt?
Klären Sie, welche gewerbliche Tätigkeit am Standort zulässig ist – auch öffentlich-rechtlich (z. B. Betriebsanlagenrecht), nicht nur mietvertraglich.

6. Was ist meine Gegenleistung?
Leistungen sollten genau benannt und im Vertrag geregelt sein – etwa bei Social Media: Wer verwaltet den Account? Wie viele Beiträge pro Woche? Was passiert bei Betriebsaufgabe?
Dasselbe gilt für Homepage-Mitbenutzung, persönliche Betreuung nach Vertragsabschluss, Schulungen, Markennutzung (inkl. Verlängerungskosten) und Bildrechte (Urheber, Nutzungsdauer, Exklusivität).
Empfehlenswert: Jedem Vertragsbestandteil einen gesonderten Kaufpreis zuordnen – das erleichtert spätere Preisanpassungen oder Rückabwicklungen.

7. Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB)
Ist das Geschäft nicht einmal die Hälfte des Kaufpreises wert, kann der Kauf rückabgewickelt werden – es sei denn, § 351 UGB greift (Ausschluss bei Unternehmergeschäften).

8. Unklarheit bei Verträgen
Unklare Formulierungen gehen zulasten dessen, der sie verwendet (§ 915 ABGB). Achten Sie auf klare, eindeutige Regelungen.

9. Kundenfrequenz
Manche Standorte funktionieren – aus oft nicht ersichtlichen Gründen – nicht, auch wenn die Umgebung boomt. Sprechen Sie mit anderen Geschäftsbetreibern, beobachten Sie die Lage.

10. Gewinn ist nicht gleich Ertrag
Ein Gewinn in der Bilanz bedeutet nicht, dass das Geschäft auch künftig erfolgreich ist. Gibt es Rechtsstreitigkeiten? Kundenprobleme? Versteckte Risiken?
Verkäufer müssen über wesentliche Umstände aufklären – dokumentieren Sie dies im Vertrag oder zumindest per Side Letter. Prüfen Sie auch Bilanzkennzahlen, etwa Verlustvorträge.

11. Unternehmen genau prüfen
Lesen Sie Bewertungen, Medienberichte, holen Sie Meinungen ein. Ideal: einige Tage im Unternehmen mitarbeiten – so bekommen Sie ein realistisches Bild.

12. Investitionen im Mietobjekt
Klären Sie vorab, ob Adaptierungen des Mietobjekts zulässig sind, und halten Sie entsprechende Vereinbarungen schriftlich fest.

13. Übertragung eines Kundenstocks
Ein Kundenstock ist kein Garant für künftigen Umsatz. Wie aktiv sind die Kunden? Wie ist die Altersstruktur? Gibt es Folgeaufträge? Lassen Sie ggf. den Wert des Kundenstocks durch einen Wirtschaftsprüfer feststellen. Prüfen Sie auch Zahlungs- und Auftragsentwicklung.
Wichtig: Sympathie ist nicht übertragbar – spätere Umsatzprobleme werden sonst schnell dem Käufer angelastet. Halten Sie im Vertrag fest, welchen Wissensstand Sie zum Zeitpunkt des Kaufs über die Kunden hatten.

14. Datenschutz
Bei Kundenübernahmen muss der Datenschutz beachtet werden – besonders bei Teilübernahmen. Kunden sind umfassend über Datenweitergabe und Änderungen zu informieren. Nicht jeder wird zustimmen.

15. Umsatz-/Gewinnbeteiligung
Werden Verkäufer an späteren Umsätzen oder Gewinnen beteiligt, muss klar geregelt sein: Netto oder Brutto? Beteiligungshöhe? Auszahlungszeitpunkte? Unklare Regelungen führen häufig zu Streit.

16. Last but not least: Ruhe bewahren
Übernahmen wollen gut überlegt sein. „Husch-husch“-Deals führen häufig zu späteren Problemen. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Sätze wie „Es gibt viele andere Interessenten – entscheiden Sie bis heute Abend“ sind oft bloße Taktik. Gute Entscheidungen brauchen Zeit und Information.

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