Sie sind Anwalt?

Was passiert mit der Obsorge bei minderjährigen Müttern?

Rechtsstatue
Die Obsorge umfasst die Bereiche der Pflege und Erziehung, der Vermögensverwaltung sowie der gesetzlichen Vertretung eines Kindes. Solange eine Mutter minderjährig ist, hat sie jedoch nicht das Recht, das Vermögen des Kindes zu verwalten und das Kind zu vertreten. Warum dies so ist und wie die gesetzliche Regelung über die Obsorge bei minderjährigen Müttern genau aussieht, beantwortet Ihnen Rechtsanwältin und Expertin im Familienrecht, Frau Mag. Sybille-Maria Lindeis, im folgenden Interview. 

anwaltfinden.at: Frau Mag. Lindeis, bitte stellen Sie sich und Ihren Werdegang unseren Usern vor.

Mein Name ist Mag. Sybille-Maria Lindeis, ich bin seit 2013 selbstständige Rechtsanwältin. Ich habe meine Ausbildung in einer Kanzlei absolviert, die den Schwerpunkt Familienrecht hatte, welchen ich in der beruflichen Praxis anschließend vertieft habe. Seit etwa vier, fünf Jahren befasse ich mich fast ausschließlich mit dem Familienrecht und allem, was dazugehört. Oftmals eine Scheidung, mit der Themengebiete wie die Obsorge oder der Unterhalt einhergehen.

Außerdem vertrete ich  häufig in Verfahren, in denen Kinder abgenommen werden.

anwaltfinden.at: Das Familienrecht ist oft ein emotional stark aufgeladenes Thema – warum haben Sie sich darauf spezialisiert?

Das komische ist, ich wollte Familienrecht am Anfang eigentlich nie machen. Ich war jedoch in der Kanzlei, in der ich meine Ausbildung absolvierte, jener Ausbildungsanwältin zugeteilt, die auf Familienrecht spezialisiert war. Ich habe immer ein bisschen bockig gemeint, dass ich nicht dabei sein möchte, wenn sich die Leute um einen Eiskasten oder Ähnliches streiten. Mit der Zeit habe ich jedoch gemerkt, dass ich ein gutes Gespür für die Betroffenen  habe und die dafür notwendige Empathie besitze – genau das braucht es im Familienrecht. Man benötigt für Familienrecht viel Fingerspitzengefühl, oftmals geht es auch nur darum, zu trösten oder ein offenes Ohr zu haben. Jedenfalls hat sich gezeigt, dass ich das ganz gut kann und dass ich darin erfolgreich bin, weshalb ich letztendlich im Familienrecht geblieben bin und es zwischenzeitlich sehr gerne mache, da die Klienten am Ende zwar oftmals traurig, aber auch gleichzeitig sehr erleichtert sind. Diese Erleichterung bestärkt mich immer wieder in meinem Tun.

Ich habe besonders zu Beginn meiner Ausbildung – oftmals förmlich mitgelitten mit meinen Klienten. Das muss man mit der Zeit jedoch ablegen und den Mittelweg zwischen Empathie und professioneller Distanz finden. Jetzt freue ich mich mit den Klienten  und versuche, wenn ein Verfahren für den Klienten nicht wie gewünscht verläuft – was natürlich auch immer wieder der Fall ist –der Fels in der Brandung zu sein und gemeinsam die nächsten Schritte zu planen und zu sprechen und den Klienten damit wieder die notwendige Sicherheit zu geben.

anwaltfinden.at: Welche Problematiken sehen Sie oft in Familienrechtsfällen mit Minderjährigen und wie könnten sie Ihrer Meinung nach effizienter gelöst werden?

Grundsätzlich gibt es bei uns ein großes System an Institutionen und Menschen, die diesbezüglich versuchen zu helfen.

Es ist jedoch so, dass es oftmals in jenen Fällen, in denen es um eine Schwangerschaft bei Minderjährigen geht, schon vorab Schwierigkeiten bzw. soziale Probleme in der Familie gab. In einem stabilen sozialen Umfeld steht die Familie meistens mehr dahinter. Bei Minderjährigen, die diesen Rückhalt, aufgrund des problematischen familiären Hintergrunds, nicht haben, muss oft der Staat eingreifen.

Es ist in der Mehrheit der Fälle so, dass minderjährige Mütter oftmals aus eher zerrütteten Familien stammen.

anwaltfinden.at: Was beinhaltet bzw. beschreibt der Begriff „Obsorge“ im rechtlichen Rahmen?

Grundsätzlich ist die Obsorge die rechtliche Vertretung des Kindes und besteht aus drei Teilen.

Das ist auf der einen Seite die Pflege und Erziehung – wo wird das Kind betreut?

Außerdem gibt es die Vermögensverwaltung. Hier geht es darum, die vermögensrechtlichen Belange des Kindes zu klären und überzuhaben, zum Beispiel die Entgegennahme der Familienbeihilfe.

Dann gibt es noch die gesetzliche Vertretung – z.B. kann ich für das Kind den Namen ändern, einen Pass beantragen etc.?

Aus diesen drei Säulen besteht die Obsorge, die jedoch nichts damit zu tun hat, von wem ein Kind wie betreut wird. Eltern können die gemeinsame Obsorge haben, das Kind gemeinsam betreuen oder nur ein Elternteil betreut überwiegend, obwohl man dennoch die gemeinsame Obsorge hat. Das wird in der Praxis oft verwechselt.

anwaltfinden.at: Im Bereich der Obsorge werden auch die Begriffe „Innenverhältnis“ und „Außenverhältnis“ thematisiert. Was beschreiben diese Begriffe und welche rechtliche Bedeutung haben sie für minderjährige Mütter?

Das Innenverhältnis bezieht sich immer auf die tatsächliche Vornahme der Pflege, Erziehung und Vermögensverwaltung.

Das Außenverhältnis betrifft wiederum die gesetzliche Vertretung, zum Beispiel gegenüber den Behörden, wenn ich etwa einen Reisepass für das Kind beantrage. Aber auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

anwaltfinden.at: Wer ist für das Kind einer minderjährigen Mutter verantwortlich und wie wird diese Verantwortung bestimmt?

Bei einem minderjährigen Elternteil – in erster Linie der Kindesmutter – ist es so, dass die Rechte und Pflichten der Vermögensverwaltung und der gesetzlichen Vertretung aus der Obsorge ex lege auf den Kinder- und Jugendhilfeträger übergehen. Es ist insofern außergewöhnlich, da die Mutter selbst noch minderjährig ist und sie daher selbst noch nicht alles für sich entscheiden kann. Sprich, eine minderjährige Mutter hat selbst noch nicht ihre rechtliche Vertretungsmöglichkeit voll entfaltet und kann diese daher nicht für ein Kind übernehmen. Es geht hierbei jedoch nicht um die Pflege an sich, sondern im Wesentlichen um die rechtliche Vertretung.

Ex lege bedeutet, sobald ein minderjähriges Kind ein Kind bekommt, haben die Spitäler eine Meldepflicht. Der Kinder- und Jugendhilfeträger wird automatisch informiert und man versucht dann, gemeinsam eine Lösung zu finden. Der KJHT ist natürlich immer bemüht, sofern es möglich ist, den Bereich der faktischen Pflege, also der Betreuung,  in der Familie zu belassen.

Das heißt, die minderjährige Mama kann sich zwar um das Kind kümmern, die rechtliche Vertretung des Kindes übernimmt jemand anderes – das kann entweder der Kinder- und Jugendhilfeträger sein, die Großeltern oder eine andere geeignete Person. Grundsätzlich versucht man jedoch schon, es in der Familie zu halten. Wenn das nicht möglich ist – da sind wir wieder bei dem Thema, dass die Familie in solchen Fällen oftmals schon vorab zerrüttet war – bleibt die Aufgabe beim Kinder- und Jugendhilfeträger.

anwaltfinden.at: Was passiert mit dem 18. Geburtstag der Mutter? Geht die Obsorge automatisch auf die Mutter über?

Es muss ein Antrag gestellt werden. Anschließend wird amtswegig überprüft, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, was in der Regel der Fall ist.

anwaltfinden.at: Welche Rolle spielen Väter in Obsorgefällen von minderjährigen Müttern?

Es kommt ganz darauf an, wobei meiner Erfahrung nach – und ich mache diesen Beruf insgesamt jetzt doch schon seit etwa 15 Jahren – sind minderjährige Mütter ganz selten.

Wenn die Mutter minderjährig ist, dann ist es oftmals auch der Vater, für den dasselbe gilt – dieser ist nicht in der Lage, die Obsorge zu übernehmen.

Wichtig ist, bei jedem Vater, unabhängig ob minder- oder volljährig, dass rasch geregelte Kontakte zu dem Kind stattfinden. Umso länger die Etablierung von geregelten Kontakten dauert, desto schwieriger wird es.

anwaltfinden.at: Kann eine minderjährige Mutter selbst jemanden für die Vermögensverwaltung und gesetzliche Vertretung bestimmen?

Bestimmen kann sie das nicht, weil sie selbst, um es vereinfacht auszudrücken, noch nicht alle Rechte hat. Es geht ex lege auf den KJHT über. Gemeinsam mit dem KJHT kann dann erarbeitet werden, wer das in weiterer Folge übernehmen soll. Wenn es zum Beispiel Großeltern gibt, die das übernehmen möchten, dann kann man einen entsprechenden Antrag stellen. In der Regel ist es so, dass – sollte es im Hintergrund eine Familie geben, die einen Rückhalt darstellt – sich Familienmitglieder melden, die das übernehmen.

Oftmals sind junge Mütter nicht nur betreffend ihrer Rechte und Pflichten sondern auch mit den alltäglichen Problemen überfordert. Ich empfehle in solchen Fällen daher auch immer die Unterstützungsangebote des KJHT anzunehmen und nicht als Überwachung, sondern als Hilfestellung, zu sehen.

anwaltfinden.at: Welchen Rat würden Sie minderjährigen Müttern und deren Umfeld geben im Bereich der Obsorge?

Ich glaube, im Falle des Falles ist es wichtig und sinnvoll, sich schon im Vorfeld zu überlegen, wie man sich die Zukunft des Kindes wünscht und vorstellt und alle gebotenen Hilfeleistungen in Anspruch zu nehmen. Frühzeitig rechtliche Beratung und in weiterer Folge

Der KJHT hat, hier leider etwas einen schlechten Ruf. Die meisten glauben, sobald der KJHT beteiligt ist, wird das Kind abgenommen und man müsse sich gegen diese Intervention wehren. Klar ist, der KJHT nimmt Kinder nur im äußersten Notfall ab. Das heißt, wenn alle anderen gelinderen Mittel gar nicht möglich oder gar verweigert werden, dann kann es zu einer Abnahme kommen.

Es sollte daher immer gefragt und besprochen werden: Welche Unterstützungsangebote will ich annehmen, kann ich annehmen, muss ich vielleicht sogar annehmen?

anwaltfinden.at: Wie können Sie, als Rechtsanwältin im Familienrecht, minderjährige Mütter bei einem Obsorgeprozess unterstützen?

Klienten profitieren sicher von meiner langjährigen Erfahrung mit den involvierten Behörden und werden bei mir – auch wenn es oft unangenehm ist – mit der Wahrheit konfrontiert. Ich rate üblicherweise von Beginn an zu kooperativen Verhalten und versuche, die Gesprächsbasis zwischen Eltern und KJHT zu verbessern.

Ich unterstütze ebenso in der Vorbereitung, damit die Klienten wissen, welche Themen auf sie zukommen, ich rede aber auch mit den Eltern oder Großeltern, um zu wissen, was diese an Unterstützung  anbieten können bzw. in weiterer Folge dem KJHT angeboten werden kann.

Abschließend möchte ich sagen, dass es von Beginn an wichtig ist, sich dem Thema zu stellen. Den Kopf in den Sand stecken oder auf stur schalten und Hilfsangebote aus Prinzip ablehnen, hat noch nie zum Erfolg geführt.

Vielen Dank für das Interview!

Mag. Sybille-Maria Lindeis – Ihre fachliche Expertin im Familienrecht

Sie haben weitere Fragen zu dem Thema Obsorge oder benötigen rechtlichen Beistand in einer familienrechtlichen Angelegenheit? Mag. Sybille-Maria Lindeis ist ihre verlässliche Ansprechpartnerin. Für ein aufschlussreiches Erstberatungsgespräch kontaktieren Sie die Anwaltskanzlei in 1090 Wien. Mehr Informationen sowie Kontaktdaten finden Sie auf dem Profil von Mag. Sybille-Maria Lindeis auf anwaltfinden.at.

Anwaltssuche

Anwalt benötigt?

Passende Anwälte in unserer Anwaltssuche finden
Anwaltssuche
Anwalt benötigt?
Passende Anwälte in unserer Anwaltssuche finden